Strafanzeige wegen verbotenem Nachrichtendienst bezüglich PRISM/Tempora

Die Digitale Gesellschaft hat heute Strafanzeige gegen Unbekannt insbesondere wegen verbotenem Nachrichtendienst bezüglich den Spionageprogrammen PRISM und Tempora bei der Bundesanwaltschaft eingereicht. Der vollständige Text ist unten angefügt (und steht auch als PDF-Datei zur Verfügung).

Aus dem dargelegten Sachverhalt ergeben sich mutmassliche Straftaten gegen die Schweizerische Eidgenossenschaft und ihre Behörden sowie gegen die Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz. Die Bundesanwaltschaft wird ersucht, eine Strafuntersuchung zu eröffnen, die Täterschaft zu ermitteln und entsprechend Anklage zu erheben.


Strafanzeige gegen Unbekannt insbesondere wegen verbotenem Nachrichtendienst

Sachverhalt

Anfang Juni 2013 deckte Edward Snowden, ehemaliger Mitarbeiter des amerikanischen Geheimdienstes Central Intelligence Agency (CIA) und des amerikanischen Nachrichtendienstes National Security Agency (NSA), als «Whistleblower» das so genannte Planning Tool for Resource Integration, Synchronization, and Management (PRISM) auf. Bei PRISM handelt es sich um «ein seit 2005 existierendes klandestines und als streng geheim eingestuftes Programm zur Überwachung und Auswertung von elektronischen Medien und elektronisch gespeicherten Daten» der NSA. Beteiligt ist auch die amerikanische Bundespolizei Federal Bureau of Investigation (FBI).

In der zweiten Junihälfte 2013 deckte Snowden ausserdem ein «Tempora» genanntes vergleichbares Projekt des britischen Nachrichten- und Sicherheitsdienstes Government Communications Headquarters (GCHQ) auf. In diesem Rahmen wurde auch bekannt, dass zahlreiche amerikanische Technologie-Unternehmen wie beispielsweise AOL, Apple, Google, Microsoft und Yahoo sowie Glasfaser-Verbindungen als Rückgrat des Internets von diesen Überwachungsprogrammen betroffen sind. Der überwiegende Teil der elektronisch übertragenen Daten fliesst über diese Glasfaser-Verbindungen sowie über die Infrastruktur der erwähnten und anderer Technologie-Unternehmen.

In Verbindung mit weiteren – insbesondere durch die amerikanische Zeitung «Washington Post» und die britische Zeitung «Guardian» – veröffentlichten Informationen ergibt sich, dass die Vereinigten Staaten von Amerika (USA), das Vereinigte Königreich Grossbritannien und Nordirland und weitere anglo-amerikanische Staaten durch die CIA, die NSA, das GCHQ und weitere Dienste mit PRISM, «Tempora» und zahlreichen weiteren Programmen die Ablage und den Fluss von elektronischen Daten durch private und staatliche Stellen global umfassend überwachen, aufzeichnen und auswerten. Sie nutzen dafür auch Mittel des «Cyberwar» wie beispielsweise das Eindringen in Datenverarbeitungssysteme.

Vgl. u.a. Artikel «PRISM (Überwachungsprogramm)» in der deutschsprachigen Ausgabe der freien Enzyklopädie Wikipedia, zuletzt abgerufen am 5. Juli 2013.

Gemäss Berichterstattung in schweizerischen und internationalen Medien ist davon auszugehen, dass die oben beschriebenen Überwachungsprogramme auch private und staatliche Stellen in der Schweiz – genauso wie private und staatliche Stellen in vielen anderen europäischen Ländern, dabei insbesondere auch Regierungsbehörden und internationale Organisationen – direkt betreffen und betroffen haben (mit Hervorhebungen durch den Autor):

«[…] Die NSA kann nicht nur auf die Server einzelner Computerkonzerne zugreifen, sondern auf die Infrastruktur generell, auch hier in der Schweiz. Wenn Ihr Telefon technische Bestandteile aus den Vereinigten Staaten enthält, kann die NSA mithören. […]»

«Die grossen Internetfirmen lügen» im Tages-Anzeiger vom 8. Juni 2013.

«Derzeit nutzen beispielsweise über fünf Millionen Firmen und Bildungseinrichtungen Google Apps for Business. In der Schweiz zählen Holcim, Ringier und Roche dazu. […]»

«Wachsende Proteste gegen Überwachung» in der Neue Zürcher Zeitung (NZZ) vom 12. Juni 2013.

«[…] Von der Abhöreinrichtung des FBI auf dem Gelände der Unternehmen [Google und andere amerikanische Technologie-Unternehmen, Anmerkung des Autors] werden die Informationen an einen oder mehrere ‹Kunden› weitergeleitet.»

«Hinweise auf Kooperation zwischen NSA und Internetfirmen» in der ZEIT vom 2. Juli 2013.

«[…] Die Amerikaner arbeiten eng mit britischen, kanadischen, australischen und neuseeländischen Diensten zusammen. Diese Staaten überwachen die durch ihr Hoheitsgebiet führenden internationalen Glasfaserkabel und tauschen sich aus. So lesen dann alle Beteiligten des Verbunds Mails aus der Schweiz.»

«Spione im Schlaraffenland» in der Neuen Zürcher Zeitung vom 29. Juni 2013.

«[…] Wirtschaftsspionage gehört zu den Aufgabenbeschreibungen der amerikanischen und britischen Geheimdienste. Dass wir nun vom Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel in diesem Zusammenhang hören, braucht niemanden zu wundern.»

«Massenhaftes Abhören soll der Wirtschaft dienen» in der ZEIT vom 24. Juni 2013.

«Monatlich würden in der Bundesrepublik rund eine halbe Milliarde Kommunikationsverbindungen – Telefonate, Mails, SMS oder Chats – überwacht. Die […] vorliegenden Unterlagen bestätigten, ‹dass die US-Geheimdienste mit Billigung des Weißen Hauses gezielt auch die Bundesregierung ausforschen, wohl bis hinauf zur Kanzlerin› […]. Die NSA ist demnach in Deutschland so aktiv wie in keinem anderen Land der Europäischen Union. Aber auch die EU werde gezielt ausgespäht – so habe der US-Geheimdienst die diplomatische Vertretung der EU in Washington sowie bei den Vereinten Nationen in New York mit Wanzen versehen und das interne Computernetzwerk infiltriert.»

«US-Geheimdienst spionierte selbst die Kanzlerin aus» in der WELT vom 30. Juni 2013.

Rechtliches

Aus obigem Sachverhalt ergeben sich mutmassliche Straftaten gegen die Schweizerische Eidgenossenschaft und ihre Behörden sowie gegen schweizerische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger als auch sonstige Personen in der Schweiz oder zumindest auf entsprechende Straftaten hinweisende Verdachtsgründe aufgrund von PRISM und anderen Überwachungsprogrammen.

Die mutmasslichen Straftaten betreffen insbesondere verbotene Handlungen für einen fremden Staat (Art. 271 StGB), verbotenen politischen Nachrichtendienst (Art. 272 StGB), verbotenen wirtschaftlichen Nachrichtendienst (Art. 273 StGB), verbotenen militärischen Nachrichtendienst (Art. 274 StGB), unbefugte Datenbeschaffung (Art. 143 StGB) und unbefugtes Eindringen in Datenverarbeitungssysteme (Art. 143bis StGB).

Wir ersuchen Sie höflich, eine Strafuntersuchung in dieser Angelegenheit zu eröffnen, die Täterschaft in der Schweiz und im Ausland zu ermitteln sowie angemessen zu bestrafen beziehungsweise gegen die ermittelte Täterschaft Anklage zu erheben.