Deep Technology Podcast

«In der Wirtschaft ist ja auch viel auf Spielmechaniken ausgelegt. Die Börse, Managerlöhne, Fussballersaläre, das sind doch alles Spielmechaniken.»

Mit vielen Jahren Gamerfahrung und als Entwickler, Produzent und Unternehmer spricht Moritz Zumbühl mit Manuel Stagars in der heutigen Episode über Regulierungsbedarf, Technologie, Videospiele und Zensur. Und wie Games und Spielmechanismen sich in unserem Alltag und der Wirtschaft widerspiegeln.

Gameentwicklung leicht gemacht?

Mit Games (sprich Videospielen) ist ein neues Massenmedium auf den globalisierten Markt gekommen. Globalisiert im wahrsten Sinne des Wortes, da direkt Entwickler:innen aus der Schweiz mit Teams aus Südafrika oder China konkurrieren, was wiederum zu einer massiven Produktion von Spielen führt. So werden wöchentlich rund 4’000 neue mobile Games veröffentlicht.

Die Spielentwicklung ist jedoch alles andere als angenehm und einfach. Durch die hohe Konkurrenz und den Zeitdruck muss immer so bald wie möglich das Projekt getestet (möglichst nach einer Woche) und allenfalls bei schwerwiegenden Mängeln sogleich abgebrochen werden. Ein eigenes Spiel entwickeln zu können, verlangt eine breite Palette an Fähigkeiten: bewusst Inhalte selektionieren (und auf Überflüssiges verzichten) können, mit Produzent:innen zusammen arbeiten, taktisches Denken, ein Gefühl für Musik und Kunst haben.

Schliesslich muss mitberücksichtigt werden, dass Spieler:innen das Game beim Spielen auch mitgestalten (indem sie beispielsweise Entscheidungen treffen). Diese aktive Mitbestimmung macht das Medium Game gerade so attraktiv. Jetzt geht es laut Zumbühl darum, «herauszufinden, wie man Games einsetzen kann, um interessante Dinge in der Gesellschaft zu diskutieren».

Deep Technology Podcast

Der technologische Fortschritt wirft Fragen auf: Wie steht es um die Zukunft der Arbeit, Datensicherheit oder das Recht auf Privatsphäre? Diktieren Technologien eine neue Realität oder haben wir die Zukunft noch in der Hand? Im Deep Technology Podcast (RSS) diskutieren Menschen in der Schweiz neue Technologien, ihre Hoffnungen, Sorgen und Ängste. Ab dem September 2021 erscheint die zweite Staffel, produziert von Filmregisseur, Autor und Podcaster Manuel Stagars.

Verspielte Propaganda

Laut Zumbühl ist die Hauptaufgabe von Games, Spass zu machen. Spiele sollten zwar «auch zum Nachdenken bringen», was aber nicht das Wichtigste ist. Es gibt aber auch reine Propaganda-Games. So hat beispielsweise die amerikanische Armee Games mitfinanziert, um mit ihnen Soldat:innen zu rekrutieren. Oder Inhalte werden aus einer gewissen Perspektive erzählt, die wichtige historische Aspekte ausblendet. Hier ist meist nicht transparent oder klar ersichtlich, ob diese Erzählperspektiven bewusst gewählt oder dafür bezahlt wurde.

Moritz Zumbühl würde es begrüssen, dass Propaganda in Spielen klar als solche deklariert würde. Ausserdem stört es ihn, dass «jemand, der viel Geld hat, um ein Game zu machen, Menschen über dieses Massenmedium beeinflussen [kann]».

Glückspielmechanismen

Es sind die Glücksspielmechanismen, die oft in Videospiele und mobile Games eingebaut werden, die ihnen ein hohes Suchtpotential verleihen. Zum Beispiel kommen sogenannte Lootbox-Mechanismen (zufallsbedingte Belohnungsmechanismen) oder Free-to-play-Mechaniken (anfangs kostenloser Zugang zum Spiel) zum Zuge, um Gamer:innen zum Kaufen zu motivieren. Die Krux dafür liegt darin, zu wissen, wann ein:e User:in bereit wäre, Geld auszugeben.

Diese Methoden zur Finanzierung lehnt Moritz Zumbühl mit der Begründung ab, dass es noch viele alternative Einnahmequellen bei Games gäbe, als Gamer:innen psychologisch zu manipulieren. Spielspass zum Kaufentscheid ohne Deklaration zu missbrauchen, findet er nicht vertretbar: «Ich spiele gerne mal Roulette, aber dann will ich wissen, dass ich Roulette spiele.»

Sucht und Regulierung

Moritz Zumbühl bestreitet die Tatsache, dass Videospiele süchtig machen können, nicht. Er findet es aber wichtig, dass Kinder und Jugendliche dennoch die Möglichkeit haben, den Umgang mit diesem Medium zu erlernen. Alles zwar zu seiner Zeit (unter drei Jahren sollten Kinder generell keine Zeit vor Bildschirmen verbringen, da dies für die physiologische Entwicklung der Sinnesorgane schlecht sei), und mit der entsprechenden Verantwortung. So sollen Eltern die Bildschirmzeit mit ihrem Kind gemeinsam verbringen und diese ausbalancieren. Etwa muss sich die Spielzeit verdient werden, mit einer Viertelstunde Sport oder draussen spielen.

«Regulation von Games ist eine politische Frage», findet Zumbühl. Seiner Meinung nach sollten Lootboxes reguliert werden. Zudem sollte die Schweizer Politik neue Technologien zu verstehen versuchen. Und sie sollte nicht davon ausgehen, dass «wir [die Schweiz] zu klein sind, etwas verändern oder regulieren» zu können. Schliesslich sei den Konzernen der Schweizer Markt nicht egal.

Zu guter Letzt sollten Politiker:innen auch die Branche mehr einbeziehen. Momentan zweifelt er daran, dass Parlamentarier:innen sich für die Gedanken und Meinungen der Gamebranche interessieren.

Blick in die Zukunft

Nach der Pandemie glaubt Zumbühl, dass es zu einer Innovationspause kommt, und dass es wegen den kommenden Regulierungen der Tech-Firmen auf EU-Ebene weniger Screentime geben wird. Die Chipkrise wird hier sicher einen Beitrag dazu leisten. «Danach wird aber VR oder AR kommen.»

Mit einem kurzen Blick in die Vergangenheit erinnert er sich an ein Internet, welches ein kollektiver Raum für Lernen, Austausch, Streitereien und grosse Freiheiten war. Diese Freiheit ist seiner Ansicht nach durch Kommerzialisierung und der extremen Überwachung zerstört worden. Nichts desto trotz erhofft sich Zumbühl, dass «Technologie produktiver und auch ressourcenschonender werden [kann], und dass die Demokratie besser wird, auch mit Hilfe von Digitalisierung».