Werde Mitglied oder Spender:in der Digitalen Gesellschaft

Engagement für digitale Grundrechte

Die Digitale Gesellschaft hat sich auch in diesem Jahr vielfältig für Freiheitsrechte in einer fortschreitend digitalisierten und vernetzten Welt eingesetzt. Gut hundert Aktive in mittlerweile fünfzig Fachgruppen engagierten sich kontinuierlich für Netzneutralität, Datenschutz und -sicherheit, Meinungs- und Informationsfreiheit sowie für digitale Demokratie. Dies ist nur dank Spenden und Mitgliedschaften möglich.

Kurzrückblick 2022

Nach unserem erfolgreichen Referendum legte der Bundesrat am 29. Juni 2022 einen neuen Entwurf zum E-ID-Gesetz vor. In unserer Stellungnahme begrüssen wir ausdrücklich das Ziel, den Schutz der Persönlichkeit und der Grundrechte bei der Verwendung der E-ID zu gewährleisten. Allerdings drohen mit dem vorgeschlagenen Gesetz Ausweiskontrollen an allen Ecken und Enden. Vor alltäglichen Ausweiskontrollen im digitalen Raum schützt auch das neue Datenschutzgesetz nicht, weshalb wir zur Zeit eine Volksinitiative planen, um einen verantwortungsvollen Umgang mit Personendaten insgesamt zu erreichen. «Zeigen Sie Ihren Ausweis!» darf in Zukunft beim alltäglichen Einkaufen im Internet nicht alltäglich werden.

Automatisierte Entscheidungssysteme (ADMS, KI) halten Einzug in den schweizerischen Alltag. Ob als Analysemechanismus in sozialen Netzwerken oder als Selektionshilfe im Bewerbungsprozess. Dabei stellen sich Fragen bezüglich Diskriminierung, systematischer Benachteiligung, Manipulationspotential und gesellschaftlicher Bedeutung. Die Digitale Gesellschaft hat deshalb im Februar 2022 ein ausführliches Positionspapier dazu veröffentlicht, inklusive einem konkreten Vorschlag für einen rechtlichen Rahmen.

«Research Wikipedia and data protection example data set» – Sean Rosenberg, CC  BY-SA 4.0

Das behördliche Projekt «Justitia.Swiss» möchte den Aktenaustausch zwischen den an Justizverfahren beteiligten Parteien und den Gerichten, Staatsanwaltschaften und Justizvollzugsbehörden digitalisieren und vereinfachen. Die Digitale Gesellschaft gehört zu den scharfen Kritiker:innen von Justitia.Swiss, da insbesondere nicht vorgesehen ist, die Software unter einer Open Source Lizenz zu veröffentlichen und die Kommunikation Ende-zu-Ende zu verschlüsseln. Betroffen vom neuen Gesetz wären über 11’000 Anwält:innen, sämtliche Gerichtsbehörden in der Schweiz und auch Private, die beispielsweise ein Baugesuch einreichen möchten. Wenn nur jede Anwältin und einer von 500 Bürger pro Arbeitstag eine Eingabe macht und eine Zustellung erhält, werden auf der geplanten Plattform pro Arbeitstag künftig 50’000 Übermittlungen stattfinden.

Trotz aller Kritik beauftragte der Bundesrat Ende Juni 2022 das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), bis Ende Jahr einen Entwurf zu einem neuen Bundesgesetz über die Plattform für die elektronische Kommunikation in der Justiz (BEKJ) auszuarbeiten. Mit dessen Inkraftsetzung ist frühestens 2025 zu rechnen. Dies hindert die Projektverantwortlichen jedoch nicht daran, bereits Tatsachen zu schaffen. So wurde die neue Plattform für die elektronische Kommunikation in der Justiz bereits ausgeschrieben. Damit droht nicht nur ein weiteres IT-Debakel, sondern es wird auch der demokratische und rechtsstaatliche Prozess unterminiert. Gegen die Ausschreibung ohne gesetzliche Grundlage hat die Digitale Gesellschaft daher zusammen mit einem betroffenen IT-Unternehmen Beschwerde erhoben, diese aber nach einem Nichteintretensentscheid aufgrund mangelnder Erfolgsaussichten nicht weitergezogen.

Visualisierung Kabelaufklärung

Seit 2011 kämpfen wir für einen besseren Schutz der Privatsphäre und gegen Massenüberwachung. So sind in der Schweiz alle Personen von der Kabelaufklärung betroffen. Nachdem das Schweizerische Bundesgericht im Dezember 2020 eine Beschwerde der Digitalen Gesellschaft gegen die Kabelaufklärung vollumfänglich gutgeheissen hat, muss nun das Bundesverwaltungsgericht prüfen, ob diese Form der Massenüberwachung die Grundrechte der Betroffenen verletzt und – um einen wirksamen Grundrechtsschutz sicherzustellen – in letzter Konsequenz einzustellen ist. Ihm gegenüber nahm der Geheimdienst zum ersten Mal etwas detaillierter zur Funktionsweise des Internets und zur darauf aufbauenden Kabelaufklärung Stellung. Darin versuchte er weiterhin, das Bild zu zeichnen, dass nur bestimmte Regionen und keine schweizerische Kommunikation überwacht werden. In ihrer Antwort widerlegte die Digitale Gesellschaft dessen Behauptungen mit einfachen Beispielen. Das Bundesverwaltungsgericht stellt dem Nachrichtendienst und anderen beteiligten staatlichen Organisationen nun eine ganze Menge Fragen. Leider müssen wir davon ausgehen, wie auch mit der Beschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung, bis an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg ziehen zu müssen.

Zusammen mit AlgorithmWatch Schweiz, der Stiftung Mercator Schweiz und vielen weiteren Organisationen haben wir im Oktober 2022 ein Positionspapier zur Plattformregulierung veröffentlicht, in dem wir zehn konkrete Massnahmen vorschlagen, mit denen die Schweiz die Grundrechte und die öffentliche Meinungsbildung auf Online-Plattformen schützen soll. Nach einem Gespräch mit dem Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) erwarten wir im Dezember den Entscheid des Bundesrates über ein weiteres Vorgehen in dieser Sache.

Die Aufsichtsbehörde des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) deckte in ihrem jüngsten Tätigkeitsbericht auf, dass der Geheimdienst ein System zur Gesichtserkennung im Rahmen der Erfassung von Reisebewegungen einsetzt. Unserem daraufhin eingereichten Gesuch um Einsicht in die entsprechenden Dokumente erteilte der NDB eine Absage, worauf wir im September eine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einreichten. Derweil zeigt unsere Petition zum Verbot von automatischer Gesichtserkennung in verschiedenen Städten und Kantone Wirkung: Eine aktualisierte Übersicht befindet sich auf der Homepage der entsprechenden Bündnisplattform.

Nach den Sommerferien startete die Fachgruppe «Tracking & Profiling» eine sehr aufschlussreiche Artikelserie zum «Überwachungskapitalismus». Gleich zwei Vernehmlassungsantworten verfassten wir zudem zum Thema Überwachung: So wehren wir uns gegen die vom Bundesrat geplante Speicherung der Daten aller Flugpassagiere in der Schweiz ohne Anlass und Verdacht auf Vorrat während fünf Jahren. Auch gegenüber der vorgeschlagenen Revision des Nachrichtendienstgesetzes (NDG) meldeten wir auf 43 (!) Seiten grosse Vorbehalte an: Der neue Gesetzesentwurf enthält vage Formulierungen in den Bestimmungen, welche den Zweck und die Aufgaben des NDB festlegen, weicht die Datenbearbeitungsschranke weiter auf, enthält ein mangelndes Auskunftsrecht, baut genehmigungspflichtige Beschaffungsmassnahmen aus, führt neue strafrechtliche Bestimmungen ein, weitet das Ausreiseverbot aus – und vieles mehr.

Im Rahmen einer Stellungnahme zum Informationssicherheitsgesetz (ISG) forderte die Digitale Gesellschaft eine Meldepflicht bei Vorfällen und verbindliche Mindestsicherheitsstandards. Im Rahmen der Vernehmlassung zum Bundesgesetz über die Mobilitätsdateninfrastruktur (MODIG) kritisierten wir, dass entgegen dessen Ziel damit keine vertrauenswürdige Datenräume «basierend auf der digitalen Selbstbestimmung» geschaffen werden: Bei einem Online-Ticketkauf für ein Verkehrsmittel kann beispielsweise überhaupt nicht entschieden werden, ob die eigenen Daten in den Datenraum gegeben werden sollen oder nicht, weil man nicht die Wahl hat, ein anderes Verkehrsmittel zu nehmen – und beim Ticketkauf den allgemeinen Geschäfts- oder Transportbedingungen zustimmen muss.

Mit Kursen zur digitalen Selbstverteidigung und Publikationen gestalten und vermitteln wir komplexe Themen zugänglich. Seit Anfang 2022 informiert unser Netzpodcast neu über die aktuellen netzpolitischen Themen mit Bezug zur Schweiz und ordnet sie ein. Aus KarlDigital und dem netzpolitischen Stammtisch wurde zudem der netzpolitische Abend: Einmal im Monat (meist am dritten Donnerstag) treffen sich Hacker, Aktivistinnen und Interessierte im Debattierhaus Karl den Grossen. Im Mittelpunkt steht der Austausch zu Themen rund um Informationstechnologie, Vernetzung und deren Auswirkungen auf unsere Gesellschaft. Unser jährlicher Winterkongress fand schliesslich auch 2022 in einer «virtual edition» statt.

Wir betreiben auch Infrastruktur: Die Digitale Gesellschaft gehört weltweit zu den grössten Betreibern von Tor-Exit-Nodes. Zusätzlich bieten wir der Öffentlichkeit DNS-Resolver über die verschlüsselten Kommunikationswege DNS-over-TLS (DoT) und DNS-over-HTTPS (DoH) an. Diese Dienste tragen massgeblich zur sicheren, unbeobachteten und zensurresistenten Kommunikation bei.

Zu zivilgesellschaftlich relevanten Themen der fortschreitenden Digitalisierung werden wir als fachkompetent wahrgenommen und regelmässig zu Stellungnahmen und Anhörungen eingeladen. Auch die Medien schätzen den kompetenten und unkomplizierten Kontakt mit uns.

Herausforderungen im Jahr 2023

Während das eidgenössische Parlament wohl bald die Botschaft des Bundesrates zum neuen E-ID-Gesetz zur Kenntnis nehmen und daraufhin beraten dürfte, bereiten wir uns auf die geplante Lancierung einer neuen Verfassungsinitiative für den Datenschutz vor. Für betroffene Personen ist es schwierig, der unberechtigten Nutzung persönlicher Daten wirksam zu widersprechen oder sich anderweitig zur Wehr zu setzen. In jedem Fall ist solcher Widerstand immer erst nachträglich möglich. Dann ist es aber bereits zu spät, denn die Daten sind weg.

Mit dem Leistungsschutzrecht für Medienverlage will der Bundesrat eine Zwangslizenz für Anreisstexte oder Links einführen. Ein Jahr lang fand auf Einladung von Bundesrätin Simonetta Sommaruga und organisiert vom Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) ein «Mediendialog» statt, an dem Vertreter:innen von Printmedien, Radio, Fernsehen und Onlinemedien, nicht aber aus der Zivilgesellschaft teilnehmen durften. Der Mediendialog wurde in der Zwischenzeit (erfolglos) abgeschlossen. Im März 2023 ist (dennoch) mit einem Vorentwurf für ein Gesetz und einer Vernehmlassung zu rechnen.

Die Kampagne «Gesichtserkennung stoppen» werden wir im kommenden Jahr auf weitere Kantone und Städte ausweiten. Zusätzlich werden wir uns für eine Regulierung von «Künstlicher Intelligenz» resp. von ADM-Systemen einsetzen. Hierzu werden wir auch das Projekt «Politpulse» weiter ausbauen, worüber sich die Zivilgesellschaft aktiver und umfassender in den gesellschaftlichen Diskurs und den politischen Prozess einbringen kann. Dieses umfasst ein aktives Monitoring von politischen Vorstössen und technischen Entwicklungen sowie eine bessere Vernetzung der zivilgesellschaftlichen Akteur:innen – auch über verschiedene Tools.

Unterstütze uns als Mitglied oder mit einer Spende

Die Digitale Gesellschaft setzt sich mit grossem Engagement für Grund-, Menschen- sowie Konsumentenrechte im Internet ein. Damit dies auch weiterhin und verstärkt gelingt, ist die gemeinnützige Organisation auf Unterstützung angewiesen.

Wir freuen uns deshalb über deine Mitgliedschaft oder eine Spende. Eine Anmeldung ist online jederzeit möglich. Die Mitgliedschaft gilt ab jetzt auch für das ganze Jahr 2023.

Herzlichen Dank für die Unterstützung!