Deep Technology Podcast

«Ich glaube nicht, dass neue Technologien gross beim Denken unterstützen.»

Gymiklasse C5c

In der finalen Folge der zweiten Staffel des «Deep Technology Podcasts» spricht Manuel Stagars mit dem Gymnasiallehrer Patrik Gasser darüber, wie neue Technologien den Schulalltag verändern. Daraufhin kommen die Schüler:innen selber zu Wort und erklären, wie die Generation Z etwa über die allgegenwärtige Selbstinszenierung in Social Media oder mangelnden Datenschutz denkt.

Der Mathematiklehrer Patrik Gasser wählt seine Worte mit Bedacht. Grundsätzlich sei der Unterricht viel besser geworden gegenüber jener Zeit, als noch er zur Schule ging. Nicht zuletzt interaktiver dank Computer – ab der dritten Klasse gilt für die Schüler:innen BYOD (Bring Your Own Device) – und Beamer statt Hellraumprojektoren. Zudem eingängiger, weil Formeln und Zahlen heute deutlich besser visualisiert werden könnten als früher.

Er kommt aber bald auch auf die Schattenseiten der neuen Technologien zu sprechen und meint etwa: «Ich glaube nicht, dass sie [die neuen Technologien] gross beim Denken unterstützen.» So stellt die stete Ablenkung und Vereinnahmung der Aufmerksamkeit der Kids durch deren Smartphones für Gasser und seine Berufskolleg:innen eine ernste Herausforderung dar.

Angesprochen auf Entwicklungen ausserhalb des Klassenzimmers, welche Gasser Sorgen bereiteten, kommen Machine-Learning-Systeme zur Sprache, welche bloss die Verteilung bestehender Daten lernten und damit automatisch auch alle ihnen innewohnenden diskriminierenden Biases reproduzierten (Vorurteile, Verzerrungen). Er wünscht sich folglich, Gesellschaft und Politik setzten sich früh mit solchen Themenkomplexen auseinander, statt zu warten bis damit einhergehende Probleme uns überrennen.

Ganz der Lehrer meint er: Wenn die Politiker:innen heute nicht über die Kompetenzen verfügten, um geeignete Regulierungen zu treffen, müssten sie sich dieses Wissen halt holen, sich weiterbilden.

Deep Technology Podcast

Der technologische Fortschritt wirft Fragen auf: Wie steht es um die Zukunft der Arbeit, Datensicherheit oder das Recht auf Privatsphäre? Diktieren Technologien eine neue Realität oder haben wir die Zukunft noch in der Hand? Im Deep Technology Podcast (RSS) diskutieren Menschen in der Schweiz neue Technologien, ihre Hoffnungen, Sorgen und Ängste. Ab dem September 2021 erscheint die zweite Staffel, produziert von Filmregisseur, Autor und Podcaster Manuel Stagars.

Virtuell unauthentisch

Rund dreimal mehr Raum im Podcast als der Lehrer erhalten dann seine Schüler:innen – was dem Gespräch frischen Schub verleiht und durchaus gut gelingt. Die jungen Frauen und Männer glänzen nicht selten durch differenzierte Statements und Reflexion.

Im Vordergrund stehen freilich Aspekte, welche ihren Alltag prägen, insbesondere die Social-Media-Nutzung. Neben Vorzügen wie etwa der Möglichkeit, über Kantons- und Staatsgrenzen hinweg Communities aus Gleichgesinnten zu bilden, kommen zahlreiche adverse Effekte zur Sprache. So philosophiert einer der Schüler, die Bandbreite möglicher Kontakte sei zwar immens viel grösser geworden, gelitten habe dafür in gleichem Masse die Tiefe solcher Beziehungen.

Gegen Ende der Sendung liefert eine aufgeweckte Dame eine bemerkenswerte Prognose: «Die Gesellschaft wird öffentlicher, immer weniger Dinge bleiben noch privat. Es wird immer stärker erwartet von den Leuten, sich öffentlich zu zeigen.» Zugleich werde aber die Authentizität leiden, weil man sich in der Öffentlichkeit meist ja nicht so zeige, wie man tatsächlich sei, sondern so, wie die anderen es (scheinbar) erwarteten. Sie sehe das etwa bereits in Bezug auf Schönheitsideale oder gewisse politische Meinungen, die man «haben muss», weil sie gerade als schick gälten.

Post-privacy?

Erstaunlich viel Platz im Gespräch nimmt neben den digitalen Kommunikationsplattformen das Thema Datenschutz ein. Wobei die Mechanismen und Funktionsprinzipien des modernen Datenkapitalismus oft nicht in seiner vollen Tragweite verstanden werden.

Ein Schüler meint etwa: «So viele Millionen Menschen benutzen diesen Dienst – da kommt es auf einen mehr oder weniger auch nicht mehr an. (…) Was will bspw. Facebook denn mit meinen Daten überhaupt? Mir relativ egal, ob die nun wissen, wo ich wohne oder so. Ich bin doch nicht interessant für die.»

Eine seiner Mitschülerinnen wendet darauf treffend ein: Genau das sei doch der einzige Grund für die ganze Datensammelwut. Sie am Ende gegen ihn zu verwenden, indem sein Verhalten vorausgesagt oder gar manipuliert werde.

Womit die Daten besagten Schülers bereits monetarisiert wären.

Zu guter Letzt folgen drei Forderungen bzw. Wünsche des Nachwuchses an die zukünftige Entwicklung:

  • Nicht schon bloss aufgrund gefühlter Ohnmacht – etwa gegenüber den Big-Tech-Konzernen – zu kapitulieren.
  • Transparenz in allen wichtigen Bereichen einzufordern – etwa über die Verwendung unserer Daten durch die Tech-Firmen.
  • Und schliesslich die Aufforderung einer der jungen Frauen an ihre Mitmenschen, das Netz etwas weniger für Trolling, Mobbing, Hasskommentare und ähnlich niederträchtige «freie Rede» zu missbrauchen.

«Einverstanden!» möchte man da nur beipflichten.