Über 20 Jahre nach der Einführung des Öffentlichkeitsprinzips auf Bundesebene, hat nun auch Nidwalden als einer der letzten Kantone der Schweiz eine Vorlage für ein eigenes Öffentlichkeitsgesetz in die Vernehmlassung geschickt. Die Digitale Gesellschaft hat dazu eine Stellungnahme verfasst. Wir begrüssen die Einführung des Öffentlichkeitsprinzips im Kanton Nidwalden. Sie ist ein wichtiger Schritt zur Stärkung des Vertrauens der Bevölkerung in die Behörden. Der Gesetzesentwurfs des kantonalen Öffentlichkeitsgesetzes (kÖG) beinhaltet allerdings zahlreiche Aspekte, die Möglichkeiten bieten, die sinngemässe Verwirklichung des Öffentlichkeitsprinzips zu behindern.
Nach dem Öffentlichkeitsprinzip soll jede Person Anspruch auf Einsichtnahme in die amtlichen Aufzeichnungen oder auf Auskunft über deren Inhalt haben, ohne dass sie ein eigenes, schützenswertes Interesse nachweisen muss. So wird eine Kontrolle der Verwaltung ermöglicht und für Transparenz gesorgt. Eine wirksamen Umsetzung erfordert einen lückenlosen Geltungs- und Anwendungsbereich sowie eine hindernisarme Beschaffungsstruktur, sodass über jegliche Tätigkeit der Verwaltung einfach an Informationen gelangt werden kann.
Zu viele Ausnahmen
Die Bestimmung zum Geltungsbereich des Öffentlichkeitsgesetzes beinhaltet einen Ausnahmekatalog: Eine Liste der Behördentätigkeit die nicht dem Öffentlichkeitsprinzip unterstehen soll. Dieser umfasst teilweise grundlose Ausnahmen, die mit unschlüssigen Argumenten gerechtfertigt werden. Zum Beispiel sollen Verfahren der Amts- und Rechtshilfe ganzheitlich ausgeschlossen werden. Im Bericht zur Vorlag wird erklärt, diese würden im Zusammenhang mit hängigen Verfahren erfolgen, welche auch nicht dem Öffentlichkeitsprinzip unterstehen würden, was aber die pauschale Ausnahme nicht überzeugend rechtfertigt. Eine Eingrenzung auf Dokumente, die tatsächlich vertrauliche Informationen über hängige Verfahren enthalten, wäre in dieser Hinsicht sinnvoller.
Überflüssige, ungerechtfertigte oder unpräzise formulierte Ausnahmen, stehen einer umfassenden Transparenz der Behördentätigkeit im Weg.
Weite Einschränkungsmöglichkeiten aufgrund privater und öffentlicher Interessen
Der Zugang zu amtlichen Dokumenten soll nach Art. 8 kÖG aufgeschoben, eingeschränkt oder verweigert werden können, soweit der Schutz privater oder öffentlicher Interessen dies erfordert. Das Gesetz nennt nur Interessen, welche «insbesondere» als schützenswert bzw. überwiegend gelten sollen. Damit entsteht eine nicht abgeschlossene Auflistung von den Interessen, die eine Einschränkung rechtfertigen können und lässt unweigerlich eine undefinierte Anzahl an unbekannten Interessen zu, die nicht insbesondere gelten, aber trotzdem als Grund zur Einschränkung des Öffentlichkeitsprinzips genutzt werden können. Die Bevölkerung des Kanton Nidwalden wäre somit der willkürlichen Beurteilung der Behörden, was als überwiegendes oder schützenswertes Interesse gelten soll, ausgeliefert.
Hinzu kommen ungenaue Formulierungen der aufgelisteten Interessen, die eine hohe Anzahl an wichtigen Dokumenten umfassen könnten. So sollen zum Beispiel nach dem jetzigen Wortlaut des Gesetzes Dokumente der Öffentlichkeit verweigert werden können, die potenziell dazu geeignet sind, die Positionen der Behörden in Verhandlungen zu schwächen, welche sich vielleicht in der unbestimmten Zukunft ergeben könnten. Auf diese Weise können Dokumente, die durchaus gewisse Relevanz für die Öffentlichkeit aufweisen, der Bevölkerung grenzenlos vorenthalten werden.
Für die, zur Ausführung demokratischer Rechtsstaatlichkeit erforderliche, korrekte Ausführung des Öffentlichkeitsprinzips sind die Einschränkungsgründe auf ein Minimum zu reduzieren. Dazu braucht es abgeschlossene Auflistungen der Interessen, die eine solche Einschränkung ermöglichen sollen und präzise Angaben dazu, in welchen spezifischen Fällen ein privates oder öffentliches Interesse überwiegen soll.
Unzugänglichkeit
Die Bevölkerung hat Anspruch darauf, dass die Information über die Behördentätigkeit ihr umfassend und einfach zugänglich zur Verfügung gestellt wird. Die Vorlage sieht die proaktive Veröffentlichung von Dokumenten betreffend Behördentätigkeit von allgemeinem Interesse vor. Da auf diese Weise aber nur ein Teil der Dokumente veröffentlicht wird, bleibt gewisse Behördentätigkeit unzugänglich. Oft ist unbekannt, welche Dokumente überhaupt existieren und auf eine Anfrage hin können laut Gesetzesentwurf Hindernisse wie z.B. Gebühren auferlegt werden, um an gewisse Dokumente zu gelangen. Ausserdem sieht das Öffentlichkeitsgesetz kein Schlichtungsverfahren vor, was die Hemmschwelle zur Anfechtung einer abgelehnten Anfrage auf Einsicht in amtliche Dokumente nur grösser macht.
Die Übergangbestimmungen des Gesetzesentwurfs stellen ausserdem nur Dokumente, die nach in Kraft treten des Öffentlichkeitsgesetzes entstanden sind, in dessen Geltungsbereich. Das ist zu restriktiv und sachlich nicht zu rechtfertigen, zumal auch bisher angelegte Informationen weiterhin von Relevanz sein werden und damit ebenso wie für neu angelegte Informationen ein eminentes Interesse am Zugang zu diesen Informationen besteht.
Transparenz und Lückenlosigkeit
Allgemein werden im Entwurf des kantonalen Öffentlichkeitsgesetzes Nidwalden wesentliche Grundsätze des Öffentlichkeitsprinzips gewahrt. Er beinhaltet begrüssenswerte Bestimmungen wie zum Beispiel die vorgesehene proaktive Veröffentlichung von Dokumenten oder, dass grundsätzlich alle öffentlichen Organe, einschliesslich der Gerichte und kommunalen Behörden, dem Öffentlichkeitsprinzip unterstellt werden. Jedoch erfordert eine effektive Ausführung des Öffentlichkeitsprinzips nicht nur die theoretische Zulässigkeit, amtliche Dokumente einzusehen, sondern auch die Möglichkeit dies praktisch umzusetzen. Im Entwurf sind verschiedenste Lücken zu finden, die von Behörden, die möglicherweise etwas zu verheimlichen haben, ausgenutzt werden könnten.
Wir fordern, dass Bestimmungen, die viel Interpretation der ausführenden Behörde erfordern, rechtsmissbräuchliches Verhalten ermöglichen oder ungerechtfertigte Zugriffsbeschränkungen enthalten, entweder angemessen umformuliert oder gestrichen werden.
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