Die «Schweiz am Sonntag» zum Einsatz von IMSI-Catchern: Unsichtbare polizeiliche Ausweiskontrollen via Handy

In ihrer heutigen Ausgabe schält die «Schweiz am Sonntag» die Einsatzmöglichkeiten von IMSI-Catchern heraus und beschreibt wie damit das Mobiltelefon zum Spion der Polizei wird.

IMSI-Catcher verhalten sich – etwas vereinfacht dargestellt – im Mobilfunknetz gegenüber einer Basis-Station wie ein Handy und gegenüber einem Handy wie eine Basis-Station. Sobald das Signal des IMSI-Catchers gegenüber den Handys im Empfangsbereich stärker ist, wie das der ursprünglichen Basis-Station, buchen sich diese automatisch neu via Catcher in das Mobilfunknetz ein. Dadurch ist es möglich, Gespräche, SMS und Datenverbindungen abzuhören (was einfacher aber auch passiv durch das Abfangen der Signale gemacht werden kann).

Mit IMSI-Catchern – daher auch der Name – kann die Polizei aber auch feststellen, wer sich aktuell (mit eingeschaltetem Handy) im Umkreis von ein paar hundert Metern befindet: Eine Zuordnung von IMSI (SIM-Karte) zu Mobilfunkteilnehmer kann einfach via technisch-/administrative-Anfrage und Dienst ÜPF (ohne Richtervorbehalt und Straftatenkatalog) vorgenommen werden (Art. 14 Abs.1 lit. b BÜPF).

Erst mit der laufenden Revision des BÜPF (Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs) soll eine Rechtsgrundlage für den Einsatz von IMSI-Catchern geschaffen werden (Art. 269bis E-StPO). Ebenfalls soll der Bundesrat zukünftig vorsehen können, «dass die Daten [für die Teilnehmeridentifikation] im Abrufverfahren zugänglich  sind und dass die Mitteilung der Daten kostenlos und rund um die Uhr zu erfolgen hat» (Art. 23 Abs. 3 E-BÜPF).

«Die Polizei kann sich somit selber Auskunft über Personen erteilen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt in einem bestimmten Gebiet waren, ohne jede Kontrolle», sagt Martin Steiger, Rechtsanwalt und Mitglied der Digitalen Gesellschaft, welche die Büpf-Revision als «rechtsstaatlich unhaltbar» ablehnt – nicht zuletzt wegen der geplanten Legalisierung von Imsi-Catchern: «Überwachungsmassnahmen sollte ein Rechtsstaat nur gegen Personen einsetzen dürfen, die auch tatsächlich verdächtigt werden.»

Konfrontiert mit den Recherchen, reagiert auch FDP-Nationalrat Ruedi Noser alarmiert: «Dass beim Einsatz eines Imsi-Catchers massenhaft Daten von Personen erhoben werden, die weder Verdächtigte noch Beschuldigte sind, ist grundsätzlich ein Problem. Dass die Polizei diese Daten ohne richterliche Verfügung auswerten dürfen soll, ist inakzeptabel.»

Balthasar Glättli, Nationalrat der Grünen, sagt: «Die Möglichkeit der Massenidentifikation kommt einer polizeilichen Ausweiskontrolle via Handy gleich. Dabei kennt die Schweiz bisher – zu Recht – nicht mal die Ausweispflicht.»

Im Unterschied zu einer angeordneten, spezifischen Überwachung, sind vom Einsatz eines IMSI-Catchers alle in der Nähe befindlichen Personen betroffen. Und diese werden auch nicht bezüglich der Überwachungsmassnahme (resp. der Ausweiskontrolle via Handy) informiert: Gemäss Botschaft zum neuen BÜPF sind «z.B. Personen, die mit der überwachten Person kommunizieren oder Personen, die im Rahmen eines Antennensuchlaufes oder beim Einsatz eines IMSI-Catchers vor der Filterung der Ergebnisse zwangsläufig ebenso erfasst werden, […] nicht von der Mitteilungspflicht […] betroffen und haben kein Beschwerderecht […]. Dies ist auch sachgerecht, da diese Personen nicht im Sinne des Gesetzes überwacht werden.»

Nun ist es keineswegs so, dass – wegen fehlender oder wackliger rechtlichen Grundlage – IMSI-Catcher nicht bereits eingesetzt würden. Beispielsweise wurde im Kanton Basel-Landschaft wegen qualifizierter Wiederhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz entsprechend ermittelt. Und:

Die Polizei jedenfalls stellt sich bereits auf ihre neuen Möglichkeiten nach der Büpf-Revision ein: «Es ist richtig, dass die Kantonspolizei Zürich zwei Imsi-Catcher angeschafft hat. Die Einführungsphase wird in den nächsten Wochen abgeschlossen», bestätigt Kapo-Sprecher Werner Schaub entsprechende Recherchen der «Schweiz am Sonntag».

[Update, 17.12.2013] Gemäss NZZ von gestern hatte bisher nur das Bundesamt für Polizei über einen IMSI-Catcher in der Schweiz verfügt. [/Update]