Der Bundesrat will noch mehr Geld in die Überwachung investieren

In einer Medienmitteilung des Bundesrates wurde bekanntgegeben, dass insgesamt 91 Millionen Franken bis 2021 für die strafprozessuale Überwachung bereitgestellt werden sollen. 21 Millionen Franken werden aus vorhandenen Mitteln des EJPD finanziert. Es bleiben rund 70 Millionen Franken, diese sollen zwischen 2016 und 2021 mit einem Verpflichtungskredit von rund 13 Millionen pro Jahr aufgebracht werden. Als Hauptgründe für die Investitionen werden der ausgeweitete Tätigkeitsbereich der Überwachungsbehörde (Dienst ÜPF) und die Erneuerung der Infrastruktur angegeben.

Was der Bundesrat aber nicht in die Medienmitteilung mit dem Titel «Gesamtschau der Investitionen beim Bund» aufzeigt, sind die Zusatzkosten, die in Zusammenhang mit der Neubeschaffung des ISS (Interception System Schweiz) stehen. Eine Herstellerin aus Dänemark erhielt den Projektauftrag, aber die Bundesbeamten konnten vom neuen System nicht überzeugt werden. So wurde Mitten im laufenden Projekt die Herstellerin gewechselt. Der Bundesrat hat im September 2013 einen Zusatzkredit von 13 Millionen beantragt, effektiv kostete dieser Leerlauf aber 5 Millionen Franken mehr, rund 18 Millionen Franken.

Die neue Herstellerin ist übrigens die Alte, denn der Bund setzt bereits heute ein System von Verint ein. Spätestens seit den Geheimdienstenhüllungen erstaunt es sehr, dass die amerikanisch-israelisches Firma, mit engen Beziehungen zu amerikanischen Geheimdiensten, diesen Projektauftrag nochmals erhalten hat.

Während des Abstimmungskampfs um den Grippen wurde publik, dass der Flugzeugbauer Saab amerikanische Funktechnologie einbauen würden. Es wurde befürchtet, dass die Amerikaner sich in unsere Kampfjets einklinken und diese nach belieben steuern oder grounden könnten. Zurück zur Überwachung: Die Befürchtung, dass Verint Produkte herstellt, die durch Sicherheitslücken und Hintertüren die ausgenutzt werden könnten, konnte der Dienst ÜPF bis heute nicht entkräften. Auch Quellcode konnte nicht überprüft werden. Ohne Gegenbeweis ist davon auszugehen, dass fremde Mächte, sei es staatlich oder privat, auf zentrale Teile der Schweizer Kommunikationsinfrastruktur zugreifen können.

Am 5. Februar 2014 beschloss der Bundesrat Massnahmen zum Schutz der IKT-Infrastrukturen des Bundes. Leistungen für kritische Infrastrukturen sollen aus Gründen der Staatssicherheit nur von inländisch beherrschten Unternehmen oder dem Bund erbracht werden. Ein paar Wochen zuvor, am 18. Dezember 2013, wurde der Vertrag für das neue Interception System Schweiz (ISS) mit Verint abgeschlossen. Der Nationalrat Balthasar Glättli hat sich in der Fragestunde erkundigt, ob der Bundesrat die Überwachungsinfrastruktur als kritische Infrastruktur sieht und wie die Besitzverhältnisse vom EDJP bewertet würden. Bundesrätin Sommaruga verlas die Antwort vor dem Plenum und erachtet die Überwachungsinfrastruktur als kritisch. Die Bundesrätin antwortete weiter, dass der Entscheid für ein amerikanisch-israelisches Unternehmen keinen politischen Hintergrund habe. Das EJPD verfolge einzig und allein das Ziel, die Verbrechensbekämpfung und die Strafverfolgung in der Schweiz unter anderem auch mit einer effizienten Fernmeldeüberwachung sicherzustellen.

Für die Mitglieder des Bundesrates ist es offensichtlich bedeutungslos, dass politischer und wirtschaftlicher Nachrichtendienst dadurch bewusst in Kauf genommen wird. Bei der Vereidigung zum Bundesrat haben alle Mitglieder gelobt, die Verfassung und Gesetze zu beachten und die Pflichten gewissenhaft zu erfüllen.

Wir erinnern uns: Nach den Spionageenthüllungen in Genf hat die Digitale Gesellschaft die Bundesanwaltschaft gebeten, wegen verbotenem wirtschaftlichen und politischen Nachrichtendienst zu ermitteln. Die Bundesanwaltschaft wurde allerdings vom Bundesrat an die kurze Leine genommen, weil man das Verhältnis zu den amerikanischen Partnern nicht durch juristische Ermittlungen stören will.

Die Digitale Gesellschaft fordert einen transparenten Umgang mit kritischen IT-Infrastrukturen. Davon sind wir allerdings weit entfernt, so wurde die Lieferantin Verint bis heute nicht offiziell benannt, sondern ist nur dank Indiskretionen an die Presse bekannt. Auch weitere Informationen, wie die Pflichtenhefte für das Projekt ISS wurden nicht veröffentlicht. Es ist unverantwortlich zusätzlich 70 Millionen Franken Steuergelder für ein Projekt aufzuwenden, ohne die Details zu kennen.