Massenüberwachung: Zusammenarbeit von ausländischen Geheimdiensten mit dem Nachrichtendienst des Bundes (NDB)

NSA_Schweiz
Von «El Mundo» veröffentlichtes Dokument zur NSA-Schweiz-Zusammenarbeit

Abkommen mit der NSA, resp. den USA

Im Oktober 2013 behauptet Bundesrat Ueli Maurer an einer Pressekonferenz [1]: «Wir haben keine Kontakte mit der NSA. Es werden und wurden keine Daten mit der NSA ausgetauscht.» Ein Jahr später tönt es gegenüber der «Rundschau» aus dem NDB etwas anders [2]: «Der Nachrichtendienst des Bundes tauscht mit der NSA keine Daten direkt aus. Es existiert kein Abkommen NDB-NSA. (…) Letzte Kontakte waren Ende 2012.» Dass verschiedene US-Dienste «Partner» der Schweiz sind und Informationen ausgetauscht werden, scheint hingegen hinreichend belegt und ist auch nicht bestritten [3].

Nach den Anschlägen in New York vom 11.9.2001 wurden zudem zwei Abkommen «Operative Working Arrangement» (OWA) zwischen der Schweiz und den USA ausgehandelt. Dabei soll es «nicht um nachrichten- oder geheimdienstliche Tätigkeiten» gehen, wie der damals verantwortliche Bundesrat Christoph Blocher im Ständerat beteuerte. Gegenüber dem Tages-Anzeiger wollte er sich im Herbst 2013 hingegen nicht dazu äussern, ob eine solche Zusammenarbeit ausserhalb des Vertragswerks besprochen worden sei. Weiter zitiert der Tages-Anzeiger aus einem Interview mit der «Schweiz am Sonntag»: «Es ist eindeutig, dass die Schweiz mit amerikanischen Nachrichtendiensten zusammenarbeitet. Ob die NSA auch dabei ist, kann ich nicht sagen. Ich halte es aber nicht für ausgeschlossen.» [4]

Aus den Unterlagen von Edward Snowden geht zudem hervor, dass die Schweiz als «Tier B»-Land eine «Focused Cooperation» mit den USA resp. der NSA eingegangen ist. Dies ist, unmittelbar nach der Gruppe der «Five-Eyes» (USA, UK, Kanada, Australien und Neuseeland), die zweithöchste Stufe der Zusammenarbeit und umfasst 17 europäische Länder sowie Japan und Südkorea. [5]

Der Bundesrat gibt sich in der Antwort auf ein Postulat von Nationalrat Jean Christophe Schwaab zugeknöpft und will – unter Verweis auf die als vertraulich oder geheim klassifizierten Informationen – nur der Geschäftsprüfungsdelegation berichten. [6]

Das zuerst von El Mundo veröffentlichte Dokument legt jedoch nahe, dass es sich dabei um «Computer Network Operations» Missionen und somit wohl um das Ausspähen von Computernetzwerken handeln dürfte. [7]

Datenaustausch mit Partnerdiensten – und die Überwachung ausländischer Kommunikation

Wie Markus Seiler, Direktor des Nachrichtendienstes, der NZZ anvertraut [8]: «Nachrichtendienst bedeutet ein ständiges Geben und Nehmen. Die Schweiz verfügt über einen kleinen, aber feinen Dienst. Wir haben unseren Partnern im Ausland durchaus etwas zu geben.»

Selbst wenn jeder Dienst «nur» die ausländische Kommunikation abhören würde, die Erkenntnisse jedoch mit den Partnerdiensten teilt, so werden schlussendlich doch alle auch vom «eigenen» Geheimdienst bespitzelt.

Wie auch der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte in einem Bericht festgehalten hat, ist daher eine Unterscheidung zwischen In- und Auslandsüberwachung nicht zulässig: «To conclude otherwise would not only undermine the universality and essence of the rights protected by international human rights law, but may also create structural incentives for States to outsource surveillance to each other.» («Zu einem anderen Schluss zu kommen, würde nicht nur die Allgemeingültigkeit und den grundlegenden Charakter der internationalen Menschenrechte untergraben, sondern auch strukturelle Anreize für Staaten schaffen, die Überwachung gegenseitig auszulagern.») [9]

Die Informationen, welche der Schweizer Geheimdienst seinen Partnern bietet, dürften mehrheitlich aus dem Abhörsystem Onyx stammen. Das Programm beschrieb die Weltwoche 2005 detailliert: Ausgearbeitet hatte den Plan, von Zimmerwald aus weltweit die Telefon-, Fax- und Mailverbindungen zu überwachen, der militärische Geheimdienst […]. Die Landesregierung [der Bundesrat] stimmte erstens dem Vorhaben […] zu, segnete zweitens die versteckte, also illegale Finanzierung und drittens die totale Geheimhaltung ab. Der Entscheid vom 13. August 1997 fehlt sogar im hochvertraulichen Verzeichnis der Beschlüsse des Bundesrates. Ein Protokoll existiert offenbar auch nicht; an die Öffentlichkeit drang nichts. [10]

Mit Bezug auf den bereits im ersten Kapitel zitierten GPDel-Bericht von 2003 [11] hielt die Weltwoche weiter fest: Das Abhören eines Kommunikationsteilnehmers im Ausland auf fremdem Hoheitsgebiet stehe im Widerspruch zur territorialen Souveränität dieses Landes. Es sei zumindest denkbar, dass ein Staat oder eine Privatperson den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof, den Menschenrechtsausschuss der Uno oder den Internationalen Gerichtshof anrufe, um die Schweizer Behörden anzuklagen.

Betroffenheit

Durch die Zusammenarbeit der verschiedenen Geheimdienste ist die Schweizer Bevölkerung in mehrfacher Hinsicht von der Überwachung betroffen:

Der NDB spioniert die Kommunikation im Ausland aus, um Informationen zum «Tausch» anbieten zu können. Um an diese Information zu gelangen, müssen die ausländischen Dienste wiederum wertvolle Informationen für und somit über die Schweiz besitzen. Was also liegt näher, als die Kommunikation der Schweiz abzuhören, um an Tauschware zu gelangen.

Die Überwachung ist (wohl aus diesem Grund) auch nicht strikt auf das Ausland beschränkt, darf der NDB doch Informationen über Personen im Inland bearbeiten, wenn sie für das Verständnis eines Vorgangs im Ausland notwendig sind. [12]

Der Schweizer Nachrichtendienst und die Bundesanwaltschaft wären auch für die Spionageabwehr, resp. die Verfolgung von fremden Nachrichtendiensten, zuständig. Da sie aber auf Informationen der Partnerdienste angewiesen sind, befinden sie sich in einem Interessenkonflikt.

(Dieser Text ist das vierte Kapitel aus dem Bericht der Digitalen Gesellschaft zur Massenüberwachung durch die Geheimdienste.)