Stellungnahme zur Zollgesetzrevision

Massenüberwachung beim Grenzübertritt

Der Bundesrat will das Zollgesetz (ZG) revidieren und ein neues Vollzugsaufgabengesetz (BAZG-VG) schaffen. Die Vorlage ermöglicht den Zollbehörden unter anderem die massenhafte, anlasslose und verdachtsunabhängige Erfassung von Personendaten mit einem hohen Risiko für die Persönlichkeit und Grundrechte. Heute haben wir unsere Stellungnahme eingereicht.

Angesichts der Schwere der datenschutzrechtlichen Mängel verzichten wir auf eine vollständige Stellungnahme und lehnen die Vorlage vollständig ab. Wir fordern den Bundesrat zur Erarbeitung einer neuen Vorlage auf, die den vielen berechtigten Bedenken Rechnung trägt.

Wir teilen insbesondere die zutreffenden datenschutzrechtlichen Bedenken des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB). Den eingeräumten Befugnissen fehlt es an einer hinreichenden Bestimmtheit und es bleibt für den einzelnen Bürger unklar, welchen Massnahmen er potenziell in welchem Umfang unterworfen ist und wie er hiergegen Rechtsschutz erhält. System, Schnittstellen und zentrale Rechtsbegriffe wie etwa die «Risikoanalyse» müssen auf Gesetzesebene definiert werden.

Nur beispielhaft möchten wir auf die verfassungswidrigen Regelungen der Art. 64 und 73 BAZG-VG hinweisen.

Hiernach werden Befugnisse für die massenhafte, anlasslose und verdachtsunabhängige Erfassung von Personendaten geschaffen. Dies ergibt sich aus Seite 77 des «Erläuternden Berichts» zur Vorlage: «Das System registriert automatisch jeweils den Zeitpunkt der Zollanmeldung sowie des Grenzübertritts, die Art des Transportmittels und die angemeldete Ware. Auf der Basis der automatisch erhobenen Personendaten bewertet das System des BAZG automatisch das Verhaltensmuster.» Ein hier beispielhaft beschriebenes System kann denklogisch nur funktionieren, wenn die Daten aller Personen massenhaft erfasst werden.

Ein solches permanentes, massenhaftes, anlassloses und und verdachtsunabhängiges Erfassen von Personendaten und deren Verknüpfung mit räumlich-zeitlichen Aufenthaltsdaten würde – eine entsprechende Umsetzung gemäss Vorlage angenommen – einen nicht mehr gerechtfertigten Eingriff in Art. 13 Abs. 1 und 2 BV darstellen. Das Privatleben des einzelnen Bürgers ist jedoch zu schützen anstatt durch die massenhafte Erzeugung und Verarbeitung eine unnötige Gefahrenlage des Missbrauchs persönlicher Daten zu schaffen. 

Allein die Kenntnis des Umstandes, dass jeder Grenzübertritt erfasst werden soll, greift ungerechtfertigt in die persönliche Freiheit und Bewegungsfreiheit gemäss Art. 10 Abs. 2 BV ein. Wenn jeder Grenzübertritt staatlich erfasst und überwacht wird, ist davon auszugehen, dass von den persönlichen Freiheiten weniger Gebrauch gemacht werden wird («Chilling Effect»).

Letztlich verstösst die automatisierte, anlasslose und verdachtsunabhängige Datensammlung zentral gegen die Unschuldsvermutung gemäss Art. 32 BV. Jede Person, die eine Grenze überschreitet, wird einem observierten Straftäter gleich behandelt, indem von ihr in gleicher Weise Personendaten gesammelt und aggregiert werden sollen. 

Die Erhebung, Speicherung und Bearbeitung von Personendaten anlässlich von Grenzübertritten muss auf begründete Einzelfälle beschränkt bleiben.

Um den verfassungsrechtlichen Implikationen Rechnung zu tragen, fordern wir die Erarbeitung einer neuen Vorlage. Sollte die derzeitige Vorlage Gegenstand der Gesetzgebung bleiben, fordern wir mindestens die Beschränkung auf Einzelfälle auf Gesetzesebene. Eine mögliche Ergänzung auf Basis der Vorlage könnte insoweit darin bestehen, 

  • in Art. 64 Abs. 1 Satz 1 BAZG-VG nach dem Wort «darf» die Wörter «im begründeten Einzelfall», sowie
  • in Art. 73 Abs. 1 Satz 1 BAZG-VG nach dem Wort «ist» die Wörter «im begründeten Einzelfall»

zu ergänzen.