Stellungnahme

E-Government-Gesetz für den Kanton Graubünden

Der Kanton Graubünden hat 2018 eine E-Government-Strategie verabschiedet. Nun liegt ein Entwurf für ein E-Government-Gesetz vor, das die rechtlichen Grundlagen für die Umsetzung schafft. Das Gesetz und die damit verbundene Förderung der digitalen Leistungserbringung im Kanton ist begrüssenswert. In unserer Stellungnahme sind wir auf einige Punkte dennoch genauer eingegangen.

Digitale Leistungserbringung (Art. 4 Abs. 3 EGG)

Im Begleitschreiben und im erläuternden Bericht steht zwar, dass die digitale Leistungserbringung freiwillig sein soll und dass die Behördenleistungen weiterhin in nicht-digitaler Form zur Verfügung stehen müssen, da nicht alle Personen den digitalen Kanal nutzen können oder wollen. So sorgt der Kanton gemäss Art. 4 Abs. 3 EGG dafür, dass Behördenleistungen weiterhin in nicht-digitaler Form zur Verfügung stehen. Davon sind jedoch Abweichungen zulässig, sofern den Interessen von Personen, welche den digitalen Kanal nicht nutzen können, Rechnung getragen wird. Im erläuternden Bericht steht dazu, dass es sich rechtfertigen kann, spezifische Bereiche von dieser Pflicht auszunehmen. In diesen Fällen müssen aber Massnahmen vorgesehen werden, damit auch Personen, welche die digitale Leistungserbringung nicht nutzen können, weiterhin Zugang zu entsprechenden Behördenleistungen haben (z.B. Übergangsregelungen, behördliche Hilfestellungen). Wenn gänzlich neue Behördenleistungen oder Prozesse nur noch online angeboten werden, ist diesen Interessen ebenfalls Rechnung zu tragen. Dabei muss allerdings nicht zwingend ein paralleler Papierprozess vorgesehen werden.

Damit ist nicht klar, unter welchen Umständen es sich rechtfertigt, dass spezifische Bereiche von der Pflicht ausgenommen werden. Auch dass den Interessen der Personen, welche die digitale Leistungserbringung nicht nutzen können, «Rechnung zu tragen» ist, ist sehr schwammig und unklar formuliert. Dass der erläuternde Bericht anerkennt, dass Menschen den digitalen Kanal nicht nutzen wollen, das Gesetz aber lediglich die Interessen von Personen, welche den digitalen Kanal nicht nutzen können, berücksichtigt, steht in einem Widerspruch. Wir fordern, dass der Zugang auf einem nicht-digitalen Weg für alle Personen sichergestellt ist. Der Zugang darf auf keinen Fall auf den Besitz eines Smartphones und den Besitz einer E-ID beschränkt sein. Es muss zumindest möglich sein, einen Antrag via PC am Schalter der Behörde zu machen. 

E-Government als ein gemeinwesenübergreifendes Phänomen (Art. 5 EGG)

Gemäss dem Begleitschreiben ist E-Government ein gemeinwesenübergreifendes Phänomen. Deshalb sollen im Rahmen des Gesetzgebungsprojekts Rechtsgrundlagen für eine vertiefte Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Staatsebenen (Bund, Kantone, Regionen und Gemeinden) geschaffen werden. 

Im erläuternden Bericht steht, dass die Digitalisierung als behörden- und staatsübergreifende Aufgabe verstanden werden muss, da an der Erbringung von Behördenleistungen oft Behörden verschiedener Staatsebenen beteiligt sind. Das EGG soll die Grundlage für die Zusammenarbeit mit anderen Gemeinwesen schaffen. Dafür ist das Gesetz allerdings sehr dünn ausgestaltet. Es sieht lediglich vor, dass die Regierung mit anderen Gemeinwesen und Organisationen Vereinbarungen über die Zusammenarbeit im Bereich der Digitalisierung abschliessen kann (Art. 5 EGG). Gemäss dem erläuternden Bericht ist dies eine programmatische Formulierung, welche die gesetzgeberische Erwartung zum Ausdruck bringt, dass die kantonalen Verwaltungsbehörden sich darum «bemühen», IKT-Lösungen gemeinsam mit anderen Gemeinwesen zu erarbeiten und zu nutzen. Dass Art. 5 EGG programmatisch ausgestaltet ist und sich die Behörden lediglich «bemühen» sollen, ist in Anbetracht der Relevanz der inner- und interkantonalen Zusammenarbeit sowie der Zusammenarbeit mit dem Bund sehr schwach formuliert. Schon der Begriff «Phänomen» ist bezeichnend. Es geht bei E-Government nicht um eine (Ausnahme-)Erscheinung sondern um technologischen und gesellschaftlichen Wandel, dem sich die Behörden nicht zu ver- sondern anzuschliessen haben. Deshalb fordern wir, dass die Zusammenarbeit nicht nur einen programmatischen Artikel erhält, wonach sich die Behörden lediglich zu bemühen haben. Es soll die nachhaltigste und kostengünstigste Variante der Zusammenarbeit gewählt werden.

Durch öffentliche Gelder finanzierte Software im öffentlichen Bereich soll zudem für alle frei und offen sein (Nach dem Grundsatz: Public money? Public code!). Wir fordern daher alle durch Behörden finanzierte Software unter einer anerkannten Open Source Software Lizenz zu veröffentlichen. 

Offene Verwaltungsdaten (Art. 7 EGG)

Die kantonalen Verwaltungsbehörden können Daten, die sie im Rahmen der Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erheben oder erstellen und die digital gespeichert und in Sammlungen strukturiert vorliegen, zur freien Weiterverwendung zur Verfügung stellen (Art. 7 Abs. 1 EGG). Dabei ist die Bereitstellung nicht verpflichtend, wie schon das Wort «können» erkennen lässt und auch im erläuternden Bericht explizit so festgehalten wird. Ausserdem werden gemäss Art. 7 Abs. 2 lit. b EGG Daten, deren Aufbereitung für die Zurverfügungstellung mit unverhältnismässigem Aufwand verbunden ist, nicht öffentlich zugänglich gemacht. Diese Formulierung ist zudem widersprüchlich mit der Formulierung im erläuternden Bericht, wonach von einer Publikation abgesehen werden darf.

Wir fordern einen «maschinenlesbaren Staat»: Die Bereitstellung der Daten muss verpflichtend sein. Grundsätzlich sollen nicht nur die bereits strukturiert vorliegenden Daten, sondern alle Daten, ausser Personendaten, unabhängig von ihrem Aufwand proaktiv und in einem weiterverwendbaren Format veröffentlicht werden. Dies schafft nicht nur Potential zur Datennutzung sondern dient auch der Transparenz. Art. 7 Abs. 2 lit. b EGG soll gestrichen werden.

Gemäss Art. 7 Abs. 4 EGG sind die kantonalen Verwaltungsbehörden nicht verpflichtet, die Daten zum Zwecke der Veröffentlichung auf Richtigkeit, Vollständigkeit, Plausibilität oder in sonstiger Weise zu prüfen. Eine gewisse Prüfungspflicht wäre allerdings wünschenswert, ohne dass die Behörden dann für Fehler haftbar gemacht werden.

Juristische Personen und E-Konto

Juristische Personen können selber kein eigenes E-Konto im E-Government-Portal haben (vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. a EGG e contrario), sondern sich nur durch eine natürliche Person vertreten lassen, um die Dienste zu nutzen (vgl. Art. 15 EGG). Dies ist grundsätzlich in Ordnung, dabei muss aber sichergestellt sein, dass pro natürliche Person mehrere Accounts möglich sind, damit unterschiedliche Tätigkeiten und Funktionen getrennt werden können.

Verantwortlichkeit und Haftung

Gemäss Art. 23 Abs. 2 EGG legen Behörden den Schutzbedarf für die Daten fest und stellen mit angemessenen technischen und organisatorischen Massnahmen sicher, dass die Daten gegen Verlust, Entwendung und unzulässiges Bearbeiten geschützt werden. Konsequenzen, wenn dies nicht gemacht wird, werden aber nicht formuliert. Sie haften ausdrücklich nicht für verspätete Eingaben oder andere Versäumnisse, welche auf die mangelnde Funktionalität des E-Government-Portals oder damit verbundener Übermittlungssysteme zurückzuführen sind (Art. 25 EGG). Damit statuiert das Gesetz jedoch lediglich die Haftungseinschränkung. Für was die Behörden hingegen haften, wird aus dem Gesetz nicht klar und erschliesst sich lediglich aus dem erläuternden Bericht (z.B. Haftung bei Datenverlust oder Datenverfälschung). Es wäre begrüssenswert, die Haftung im EGG selbst zu regeln und dann die Haftungseinschränkung zu nennen. Dies würde auch mit Blick auf die Gesetzessystematik mehr Sinn ergeben.

Zudem lehnen wir ausdrücklich ab, dass Behörden den Schutzbedarf für die Daten selbst festlegen. Der Schutzbedarf der Daten muss im Gesetz geregelt sein und darf nicht den einzelnen Behörden überlassen werden.

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