Am Samstag, 10. Mai 2025, hat das 29. Frühjahrestreffen der Digitalen Gesellschaft stattgefunden. Über 50 aktive Mitglieder haben sich einen Tag lang zu den gesellschaftlichen Auswirkungen der Digitalisierung ausgetauscht. Die vom Bundesrat hinausgeschobene Plattformregulierung hat dabei die Mitglieder speziell beschäftigt. Sie haben daher eine Resolution verabschiedet.
Der Bundesrat verschiebt die Plattformregulierung auf den Sankt-Nimmerleins-Tag. Er hat Mitte April entschieden, den fixfertigen Vorentwurf für ein neues Bundesgesetz über Kommunikationsplattformen und Suchmaschinen (KomPG) wieder in der Schublade zu versorgen. Damit liefert unsere Regierung die Schweiz den Launen der Tech-Giganten aus und verpasst es, die Rechte der Schweizer:innen im digitalen Raum zu sichern. Aus Angst vor wirtschaftlichen Repressionen der USA verbleibt der Bundesrat ohnmächtig, statt selbstbewusst für unsere digitalen Grundrechte einzustehen.
Tech-Giganten steuern unsere Kommunikation
Ob berufliche Informationen oder private Kontakte: Fast alle Menschen in der Schweiz kommunizieren über «soziale» Netzwerke und verwenden Suchmaschinen, die von Tech-Giganten betrieben werden. Die Konzerne aus China und den USA entscheiden, welche Inhalte wir wann sehen können, und wie wir uns vernetzen. Die Konzerne prägen auch unsere Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI). Gleichzeitig gibt es keinen rechtlichen Zugriff auf diese Konzerne, da sie über keine Rechtsvertretung hierzulande verfügen – der Rechtsstaat ist nicht durchsetzbar, die Schweiz ist ihnen machtlos ausgeliefert.
Mit personalisierter Werbung als dominantem Geschäftsmodell hat sich ein umfassender Überwachungskapitalismus entwickelt. Dabei steht nicht die korrekte und zuverlässige Information, sondern die grösstmögliche Ausbeutung der Aufmerksamkeit der Nutzer:innen im Vordergrund. Mit Einflussnahme und Werbung machen die Konzerne unsere Aufmerksamkeit zu ihrem Geld. Mit ihrem riesigen Einfluss kontrollieren Google, Meta, OpenAI, TikTok und andere Unternehmen nicht nur individuelle Informationsflüsse, sondern auch die Entwicklung von Demokratie und öffentlichen Kommunikationsräumen. Weder unsere digitale Infrastruktur noch unsere Werthaltungen sind damit souverän, sondern importiert aus den USA und China.
Die Auswirkungen im Alltag betreffen alles und alle. Die Entscheidungen der Tech-Giganten und der Milliardäre, die sie kontrollieren, tangieren Grund- und Menschenrechte, insbesondere die Meinungsfreiheit, das Recht auf Privatsphäre, den Schutz vor Diskriminierung, die Medienfreiheit und die Wirtschaftsfreiheit. Gerade die letzten Wochen und Monate haben besonders deutlich gezeigt, dass sich die Tech-Milliardäre rücksichtslos und primär für ihre eigenen Interessen einsetzen und nur vordergründig für diejenigen der Nutzenden, der Gesellschaft und der Demokratie.
Forderungen der Zivilgesellschaft
Die Digitale Gesellschaft setzt sich für eine faire, nachhaltige und sichere digitale Kommunikation ein. Für die Regulierung von Social-Media-Plattformen fordern wir deshalb:
- Transparenz über Algorithmen, ein verständliches und verifizierbares Aufzeigen ihrer Ziele und Anwendungen – damit wir die Plattformen selbstbestimmt nutzen können
- Durchsetzung des Rechtsstaats: Zustellungsdomizil («Briefkasten») der Plattformen in der Schweiz
- Unsere Grundrechte – insbesondere die Meinungsfreiheit – sichern durch transparente und zugängliche Verfahren, beispielsweise für die Begründung von Löschungen, inhaltliche Eingriffe oder die willkürliche Herabsetzung der Reichweite von Posts (Shadow-Banning)
- verpflichtende Risikoeinschätzungen für Plattformen, die ihre Algorithmen auf die Risiken für Grundrechte und Demokratie hin prüfen müssen
- Kennzeichnung von verdeckt agierenden Bots, um die algorithmisch getriebene Verbreitung von falschen Informationen einzugrenzen
Weitere Massnahmen zeigen wir in unserem «Joint Statement Plattformregulierung«, welches wir 2022 zusammen mit 16 Organisationen veröffentlichten.
Wer die Regulierung von Plattformen noch länger hinauszögert, spielt mit den Grundrechten der Menschen in der Schweiz und befeuert die Gefahren für unsere Demokratie und Gesellschaft. Die Digitale Gesellschaft fordert den Bundesrat auf, den Vernehmlassungsprozess zur Regulierung von Kommunikationsplattformen und Suchmaschinen sofort zu starten. Wir brauchen dringend Instrumente gegen Willkür, Zensur, Hass und Hetze wie auch systematische Desinformation auf digitalen Kommunikationsplattformen. Bis der Gesetzgebungsprozess abgeschlossen ist, muss die Schweiz übergangsweise und im Minimum die Bestimmungen des EU-Digital Service Acts übernehmen.
Weiterführende Informationen:
- Resolution zur Plattform-Regulierung (PDF)
- Joint Statement zur Plattformregulierung der digitalen Zivilgesellschaft
- Übersichtspräsentation zur Plattformregulierung am Winterkongress 2025