Aargauer Obergericht unterstellt Internet-Forumsbetreiber dem BÜPF

Übernommener Text

Dieser Artikel ist zuerst im Blog von kire.ch erschienen. Da es die Website nicht mehr gibt, der Artikel aber im Zusammenhang mit den Tätigkeiten der Digitalen Gesellschaft steht, wurde er hier ins «Archiv» übernommen.

Die langatmige und von zuweilen etwas unglücklich agierenden Akteuren besetzte Vorgeschichte möchte ich uns hier ersparen. Wer sich dafür interessiert, sei auf die Anekdote Von Parkgebühren und feigen Schwätzern, den Zeitungs-Artikel Wohlen-Online bald vor Bundesgericht und natürlich ins Forum Wohlen-Online selber verwiesen.

Auf jeden Fall hat das Aargauer Obergericht im Berufungsprozess auf eine allfällige Feststellung der sogenannten Forenhaftung wegen Formfehler verzichtet – dafür aber den Betreiber des Forums der mehrfachen Begünstigung gemäss Art 305 Abs. 1 StGB schuldig gesprochen, weil dieser die Webserver-Logs mit den IP-Adressen täglich löscht. Gestützt auf Art. 14 Abs 4 des Bundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs wäre er verpflichtet gewesen, der zuständigen Behörde alle Angaben zu machen, die eine Identifikation des Urhebers ermöglicht, wenn eine Straftat über das Internet begangen worden sei. Da der Server in den Räumen der “W-Soft Internet GmbH” steht, deren Geschäftsführer der Angeklagte ist, obliege “ihm die Pflicht, die für die Teilnehmeridentifikation notwendigen Daten sowie die Verkehrs- und Rechnungsdaten während sechs Monaten Aufzubewahren (Art. 15 Abs. 3 BÜPF)”. Und dies, obwohl das Gericht zwei Seiten später selber festhält, dass “keine berufliche Tätigkeit” vorliege – was auch ziemlich offensichtlich ist.

Leider ist hier das Bundesgesetz und die Verordnung einmal mehr ungenau. Jedoch hält das Bundesamt für Kommunikation in einem Leitfaden fest, dass “nach den Bestimmungen des FMG (Fernmeldegesetz) […] jede natürliche oder juristische Person, welche Informationen für Dritte fernmeldetechnisch überträgt oder übertragen lässt und diesem Dritten gegenüber im Rahmen eines Vertragsverhältnisses die Verantwortung für das Erbringen der vereinbarten Dienstleistung übernimmt, als Anbieterin von Fernmeldediensten zu bezeichnen [ist].” Von einem Vertragsverhältnis kann im vorliegenden Fall wohl kaum gesprochen werden.

Das Urteil liegt in Teil 1 und 2 zum Download vor. Der Gang vor das Bundesgericht ist angekündigt. (Die Links funktionieren leider nicht mehr. Die entsprechenden Dokumente können aber bei mir bezogen werden.)

Update vom 2.10.2009: Habe eben gesehen, dass gemäss der Botschaft zum BÜPF (suchen nach “10054762″; Seite 15) “unter den Post- und Fernmeldeverkehr […] alle Dienstleistungen und Fernmeldeübertragungen [fallen], die in den Geltungsbereich des Postgesetzes vom 30. April 1997 (PG; SR 783.0) und des Fernmeldegesetzes vom 30. April 1997 (FMG; SR 784.1 ff) fallen. Es werden dabei neben der Schweizerischen Post und der Swisscom auch die weiteren Anbieterinnen erfasst, soweit sie einem der beiden Gesetze unterstehen.” Gemäss Art. 88 Abs. 6 des Gesetzes über die Strafrechtspflege (Strafprozessordnung, StPO) des Kantons Aargau, richtet sich die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs nach den Bestimmungen des entsprechenden Bundesgesetzes, also dem BÜPF.