Broschüre zur Abstimmung vom 25. September zum neuen Nachrichtendienstgesetz

AbstimmungsbroschüreBereits in einem Monat werden wir die Unterlagen zur Abstimmung vom 25. September 2016 im Briefkasten vorfinden. Es steht auch die Abstimmung über das neue Nachrichtendienstgestz an. Die bundesrätliche Broschüre versucht, den Stimmberechtigten das Gesetz schmackhaft zu machen:

Notwendigkeit

Der Bundesrat schreibt, dass «bei schweren Bedrohungen der Sicherheit der Schweiz durch Terrorismus, Spionage, Verbreitung von Massenvernichtungswaffen sowie Angriffe auf landeswichtige Infrastrukturen der Nachrichtendienst gezielt Informationen über Personen beschaffen können muss, von denen solche Bedrohungen ausgehen» – und «dass bei der heutigen Bedrohungslage in rund zehn Fällen pro Jahr eine solche Beschaffungsmassnahme zum Einsatz kommen dürfte».

Die vom Bundesrat geschilderten Bedrohungen sind Straftatbestände nach Schweizerischem Strafgesetzbuch (StGB) und müssen von Amtes wegen verfolgt werden. Allfällige Vorbereitungshandlungen, wie für vorsätzliche Tötung, Mord, schwere Körperverletzung oder Brandstiftung (Art. 260bis) sowie das Verbreiten von Massenvernichtungswaffen (Art. 226ter),  sind ebenfalls bereits strafbar. Entsprechend können und müssen die zehn Fälle im Rahmen von ordentlichen Strafverfahren ermittelt werden. Die nötigen Befugnisse für die Abhörung von Telefonaten, des Internetzugangs oder mit Hilfe von Wanzen sind auch bereits im aktuellen BÜPF und der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO) geregelt.

Falls kein begründeter Verdacht auf eine schwere Straftat besteht, ist ein schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte nicht verhältnismässig und daher auch nicht zulässig.

Kabelaufklärung

Zur Kabelaufklärung schreibt der Bundesrat, dass «diese Ausdehnung erforderlich ist, weil die internationale Kommunikation immer weniger über Satelliten abgewickelt wird. Die Kabelaufklärung erhöht unter anderem die Chancen, elektronische Spionage fremder Staaten gegen die Schweiz oder Hackerangriffe zu erkennen. Diese Massnahmen müssen ebenfalls das mehrstufige Genehmigungsverfahren durchlaufen.»

Im Unterscheid zur Satelliten- und Funkaufklärung (welche historisch eine militärische Überwachungsmassnahmen darstellt) wird bei der Kabelaufklärung fast ausschliesslich inländische Kommunikation überwacht. Dies liegt in der Natur der Sache: Während es technisch möglich ist, fremde Satelliten abzuhören, ist an einer grenzüberschreitenden Internetkommunikation immer mindestens auch ein Teilnehmer aus der Schweiz beteiligt.

Wie die Geschäftsprüfungsdelegation der Eidgenössischen Räte 2003 feststellte, waren zum Untersuchungszeitpunkt rund dreissig Überwachungsaufträge mit je zwischen fünf und mehreren hundert Schlüsselwörtern aktiv. Sie hält dann auch entsprechend fest: Die Satellitenaufklärung «ermöglicht eine Massenüberwachung von Kommunikationen».

Die Kabelaufklärung darf also nicht als gezielten, temporären Eingriff verstanden werden. Vielmehr werden immer Aufträge bestehen, die möglichst sämtliche E-Mails, Suchanfragen, Zugänge zu Webforen, die Internettelefonie etc. nach den definierten Suchkriterien überwachen und gegebenenfalls anschlagen. Um umfassend zu sein, dürften jeweils auch alle grossen Anbieterinnen von der «Ausleitung» der Daten betroffen sein. Da die meiste Internetkommunikation der Schweizer Bevölkerung über ausländische Server und Netzwerke führt, sind wir alle von der Massnahme betroffen.

Was sich über die Zeit durch das Genehmigungsverfahren ändert, sind die Suchkategorien, die betroffenen Provider und die überwachten Internetkommunikationsarten. Aber nicht die Massenüberwachung an sich.

Der blinde Fleck

Auf alle Massnahmen können in einer Abstimmungsbroschüre nicht eingegangen werden. Wichtige Aspekte, insbesondere aus Grund- und Menschenrechtssicht, fehlen dennoch:

  • Der Einsatz von Staatstrojanern (auch zur Online-Durchsuchung und Verwendung sämtlicher Sensoren)
  • Die Möglichkeit zum Cyberangriff auf Computer und Netzwerke im Ausland
  • Das Aussprechen von Tätigkeits- und Organisationsverboten
  • Die Verpflichtung zur Auskunfts- und Meldepflicht für Behörden, Organisationen mit öffentlichen Aufgaben, privaten Transportfirmen und auch für Betreiber von z.B. privaten Überwachungskameras
  • Der Einsatz von bezahlte Spitzel und Tarnidentitäten