Urheberrecht

Kommentar (und alternative Lösung) zum Lichtbildschutz

Im Februar hat die zuständige Ständeratskommission überraschend ein Leistungsschutzrecht für die Schweiz beschlossen. Damit ist ein acht Jahre alter, eigentlich schon immer fauler Kompromiss zur Makulatur geworden. Gemeinsam mit der Allianz für ein faires Urheberrecht stellen wir entsprechend auch den Lichtbildschutz (nochmals) in Frage.

Seitdem die erste AGUR12-Arbeitsgruppe ihre Arbeit aufgenommen hat, versuchen wir unsere Kritikpunkte einzubringen. Auch bei den Beratungen der AGUR12-II wurde ein grosser Teil der Kritik, die im Rahmen der Vernehmlassung auf die erste Botschaft von einer grossen Zahl der Bevölkerung eingebracht wurden, nicht beachtet. Im Zusammenhang mit der Anhörung in der RK-N wurde immer wieder erwähnt, insbesondere von der zuständigen Departementsvorsteherin, dass dieser Kompromiss nicht in Frage gestellt werden dürfe. Es sei hier noch einmal festgehalten, dass bei diesem sogenannten Kompromiss der weitaus grösste Teil der Betroffenen, die nicht organisierten Urheber im Internet, nicht berücksichtigt wurde. Durch den Versuch, über die WBK-S ein Leistungsschutzrecht für Medienverlage und eine Link-Vergütungspflicht zusätzlich einzubringen, sind alle weiteren Hinweise auf den sogenannten Kompromiss, der eingehalten werden soll, ohne Grundlage. Wir erlauben uns darum, noch einmal auf einen anderen problematische Vorschlag dieser Revision hinzuweisen. Namentlich auf die schädlichen Folgen des Lichtbildschutzes, welcher, so wie er vorgesehen ist, auf gravierende Art und Weise das Urheberrecht ad absurdum führen wird, indem er die Schöpfungshöhe als Kriterium für den Werkschutz für eine bestimmte Werkgattung abschafft.

Die Forderungen nach dem Leistungsschutzrecht sind wohl als Vorboten von weiteren solchen Forderungen zu sehen, für die erst die vorgeschlagene Lösung zum Lichtbildschutz die Vorlage geliefert hat.

Lichtbildschutz (Art. 2 Abs. 3bis E-URG)

Hintergrund

  • Pro Tag werden in der Schweiz Millionen von Fotografien produziert.
  • Ein äusserst geringer Bruchteil davon wird in einem professionellen Umfeld hergestellt.
  • Fotografien werden bisher im Urheberrecht wie jedes andere Werk aufgrund ihrer Schöpfungshöhe dem Urheberrechtsschutz unterstellt.
  • Dabei kann es vorkommen, dass Fotografien, die in einem professionellen Umfeld erstellt wurden, z.B. Pressefotos oder Produktfotografien, nicht als Werk im Sinne des Urheberrechts gelten, weil sie die notwendige Schöpfungshöhe nicht erreichen.
  • Es kann vorkommen, dass professionell erstellte Fotografien von Dritten ohne Berechtigung in einem kommerziellen Umfeld verwendet werden und die Hersteller dieser Fotografien für diese weitere Verwendung nicht entschädigt werden. Für die Herstellung und Erstverwendung wurden sie in der Regel entschädigt.
  • Dieser Umstand hat dazu geführt, dass eine, im Verhältnis zu den fotografisch tätigen Personen in der Schweiz, kleine Gruppe von professionellen Fotografen einen sogenannten Lichtbildschutz fordern. Es soll die Bedingung der Schöpfungshöhe abgeschafft werden und dadurch jede Fotografie, die erstellt wird, grundsätzlich urheberrechtlich geschützt werden und zwar 50 Jahre lang, nach deren Herstellung.

Grundsätzliche Überlegungen

Das Urheberrecht ist ein Monopolrecht. Gesetzlich garantierte Monopole sollten nur in Ausnahmefällen zugestanden werden, z.B. wenn der gesellschaftliche Nutzen höher einzustufen ist, als der Schaden, der durch die Monopole entsteht. Im Falle des Urheberrechtes waren sich die Gesetzgeber dieses Umstandes immer bewusst. Urheberrechte wurden ursprünglich, ähnlich wie Patente, vor allem mit der Begründung eingerichtet, dass es im Interesse der Gesellschaft sei, dass möglichst viele Werke entstehen. Es soll durch den Schutz vor Verwertung durch andere und durch Gewährung eines befristeten Monopols für die Urheber ein Anreiz geschaffen werden, Werke zu erstellen. Gleichzeitig war und ist aber immer klar, dass es auch Schranken für das Urheberrecht braucht, um die negativen Aspekte für die Gesellschaft, die durch Monopole entstehen, abzufedern. Wenn das Urheberrecht als Monopolrecht nicht grundsätzlich problematisch wäre, bräuchte es keine Schranken im Gesetz. Darum gibt es das Recht auf privaten Gebrauch, oder das Zitatrecht usw. Der Schutz der Urheber und der Schaden für die Gesellschaft sollen also in einem ausgeglichenen Verhältnis zueinander stehen.

Im Falle des geplanten Lichtbildschutzes ist dieses Verhältnis massiv gestört. Einerseits wäre es falsch zu behaupten, dass wir zu wenig professionell erstellte Fotografien oder zu wenige professionelle Fotografen in der Schweiz hätten und andererseits werden durch diesen Schutz nicht nur die professionell hergestellten Bilder geschützt, sondern schlichtweg alle Fotografien, die entstehen, jedes private Knipsbild, jedes Röntgenbild, jedes automatisch erstellte Bild. Mit diesem Gesetzesvorschlag wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Um ein paar tausend Bilder pro Jahr zu schützen, werden hunderte von Millionen von Bildern aus der Public Domain verbannt und damit der Kommunikationsfähigkeit entzogen. Es handelt sich hierbei eindeutig um einen unverhältnismässigen Vorschlag, dem keinerlei Kompensation für die gesellschaftlichen Kollateralschäden gegenüber stehen. Insbesondere auch deswegen, weil es in der Schweiz keine Faire-Use Regelung wie in den USA gibt.

Ein weiteres Problem liegt darin, dass sowohl beim Vorschlag des Bundesrates, wie auch beim Vorschlag der RK-N einer bestimmten Werkkategorie ein umfassender Werkcharakter zugesprochen wird, obwohl dieser nicht vorhanden ist. Ein Werk soll wie ein Werk behandelt werden, obwohl es keines ist. Damit wird das Urheberrecht ad absurdum geführt. Es wird gesagt: Wir haben eine Definition für ein Werk und für dieses soll dieses Gesetz gelten. Und dann wird ergänzt: Aber für die Kategorie der Fotografie sollen die Bestimmungen sinngemäss auch gelten, wenn sie nicht dieser Definition entspricht.

Wenn wir bei den Fotografien die Bedingung der Schöpfungshöhe nicht verlangen, gibt es auch keinen Grund mehr, dies bei anderen Werkgattungen zu tun. Im Prinzip könnte man auf Basis dieser Argumentation einen Schutz für jeden Ton und jedes Wort verlangen. Es wird eine Pandorabüchse geöffnet, die gravierende Folgen haben kann. Kommt dazu, dass vom Gesetzgeber eine minimale systematische Integrität erwartet werden sollte.

Nutzen für die professionellen Fotografen

Die professionellen Fotografen, die den Lichtbildschutz fordern, erklären selber laufend, dass die allermeisten Marktteilnehmer für die Nutzung der Bilder Lizenzgebühren bezahlen und sich dabei nicht auf den Urheberrechtsschutz beziehen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass der ökonomische Nutzen für die meisten Akteure klein, wenn nicht gar vernachlässigbar sein wird. Ein weiteres Faktum stellt der Umstand dar, dass die professionellen Fotografen für ihre Auftragsarbeiten von den Auftraggebern honoriert werden und mit diesen Honoraren der Aufwand inkl. Gewinnmarge für die Erstellung ihrer Fotografien abgegolten werden. Wenn das nicht der Fall wäre, würden sie ihre Leistungen ja kaum anbieten. Es kann zwar vorkommen, dass im Anschluss einer Auftragsarbeit durch Dritte eine weitere Nutzung stattfindet, die nicht abgegolten wird, daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass die Fotografen für Ihre Arbeit nicht entschädigt wurden, denn die ursprüngliche Nutzung wurde ja bezahlt. Es handelt sich, auch gemäss Äusserungen der Fotografen, um Einzelfälle.

Bisher haben die professionellen Fotografen noch nie eine Zahl nennen können, in welcher Höhe sie sich Mehreinnahmen durch den Lichtbildschutz erhoffen. Diese Zahl wäre aber äusserst wichtig, um sie den gesellschaftlichen Schäden, die angerichtet werden, gegenüber zu stellen. Die Politik muss sich doch fragen können: Wollen wir einer Berufsgruppe den Betrag X gesetzlich sicherstellen und dafür die gesellschaftlichen Folgen A, B, C und D in Kauf nehmen? Ohne diesen Betrag X nicht zu kennen, kann man eigentlich gar keine Abwägung machen.

Schäden für die Gesellschaft

Behinderung der Forschung

Der grösste Teil der heute entstehenden Fotografien sind digitale Bilder, nicht selten auch von Automaten oder auf eine möglichst standardisierte halbautomatische Weise hergestellt, die für wissenschaftliche Zwecke nützliche Fakten dokumentieren. Sie veranschaulichen Zustände, Veränderungen, Entwicklungen über längere Zeitabschnitte hinweg. Moderne Technologien erlauben es, diese Fotografien maschinell auszuwerten. Anhand dieser wissenschaftlichen Auswertung können wichtige Erkenntnisse in den Naturwissenschaften ebenso wie in der Medizin und den Sozialwissenschaften gewonnen werden, die anderweitig nicht möglich sind. Wissenschaftliche Lehre und Forschung sind darauf angewiesen, dass Daten zugänglich sind. Deshalb fordern Forschungsinstitutionen, wie der Schweizerische Nationalfonds oder das Europäische Forschungsprogramm Horizon 2020, den freien Zugang zu wissenschaftlicher Information. Zu dieser Information gehören auch Daten in Form von Bildern. Ein urheberrechtlicher Schutz nicht individueller Fotografien macht einen Grossteil dieses Bildmaterials für die Wissenschaft unzugänglich.

Fotografien als Kommunikationsmittel

Im digitalen Zeitalter hat die Fotografie eine zentrale Rolle in der zwischenmenschlichen und wissenschaftlichen Kommunikation eingenommen. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, wie wir wissen, und die Demokratisierung der Technologien zur Bilderstellung hat dieses Instrument in die Hände von (fast) allen gelegt. Durch einen Lichtbildschutz, wie er derzeit vorgeschlagen wird, wird diese wichtige Form der öffentlichen Kommunikation massiv behindert. Meme zu erstellen und zu verbreiten, wird potentiell strafbar. Auch die Wissenschaft ist auf die Kommunikation durch das Bild angewiesen. Das Zeitgeschehen öffentlich zu dokumentieren und zu kommentieren, wird potentiell strafbar. Das angedrohte Strafmass beträgt bis zu fünf Jahre Gefängnis (Art. 67 URG).

Das Urheberrecht als Zensursystem

Bereits heute ist es so, dass grosse Konzerne und Organisationen und manchmal auch Staaten, das Urheberrecht zur Unterdrückung von unliebsamer Berichterstattung missbrauchen. So hat die UEFA zum Beispiel ein Video, welches einen Greenpeace-Aktivisten während eines Spiels des FC Basel gegen Schalke 04 zeigt, auf Youtube wegen behaupteter Urheberrechtsverletzungen sperren lassen. Das Video ist im Netz nicht mehr auffindbar, die Fotos hingegen schon, zumindest auf Schweizer Webseiten. Ein Lichtbildschutz würde in Zukunft die Grundlage schaffen, dass Fotos, die (politisch) nicht in den Kram passen, auch in der Schweiz vom Netz genommen werden müssen. Oder gar nicht erst hochgeladen werden können, weil die Plattform-Betreiber und Hoster aus Angst vor rechtlichen Konsequenzen lieber zu viel als zu wenig sperren.

Bilder als Dokumente der Zeitgeschichte

Für die politische Bildung und die Kommunikation ist der Zugang zu früherer Berichterstattung über die Geschehnisse der Zeitgeschichte essentiel. Es ist wichtig, dass Bilder der Zeitgeschichte nicht in Archiv-Bunkern verschwinden, sondern dass diese jederzeit verfügbar und nutzbar bleiben, damit politische Fragen der Gegenwart auch im Kontext der historischen Entwicklung erörtert werden können. Ein Lichtbildschutz würde diesen Zugang, der heute schon schwierig ist, noch weiter erschweren. Projekte, wie die Website e-periodica der ETH Bibliothek, wären nur noch mit sehr grossem Aufwand möglich. Da die Mittel für solche Digitalisierungsprojekte schon heute sehr begrenzt sind, werden die zusätzlich für die Rechte-Abklärung der Fotografien benötigten Mittel kaum bereitgestellt werden und dadurch der privaten Verwertung des fotografischen Kulturerbes durch Bildagentur-Konzerne Tür und Tor geöffnet.

Private Aneignung des Kulturerbes

Mit der Einführung eines Lichtbildschutzes werden Kulturgüter, deren Schutzfrist bereits abgelaufen, oder die nie urheberrechtlich geschützt waren, also Werke der so genannten Public Domain, privatisiert. Wenn ein Museum das Fotografieren seiner Werke dem Publikum verbietet und gleichzeitig die eigenen Fotos, der nicht mehr geschützten Werke durch den Lichtbildschutz monopolisieren können, führt das dazu, dass bisher öffentliche Güter in gravierendem Ausmass wieder dem privaten Eigentum zugeordnet werden.

Rückwirkung

Jede Fotografie in einer historischen oder wissenschaftlichen Sammlung oder Veröffentlichung wäre plötzlich ein geschütztes Rechtsobjekt, das nur noch mit der Einwilligung der – meist unbekannten – Fotografinnen oder Fotografen erneut verwendet werden dürfte. Durch eine solche Regelung verliert die Schweiz den Zugang zu ihrem fotografischen Erbe.

Internationale Einbettung

Entgegen der Behauptung der professionellen Fotografen steht die Schweiz nicht alleine auf weiter Flur da, wenn es um die urheberrechtliche Bewertung der Fotografien geht. Es gibt kein einziges internationales Vertragswerk zum Urheberrecht, welches einen speziellen Schutz für Fotografien ohne Werkcharakter verlangt. Weder in der Berner Übereinkunft noch im TRIPS-Agreement ist davon die Rede, dass Fotografien anders als andere Werke behandelt werden sollen. Auch die EU-Richtlinie 2006/116 stellt in Artikel 6 klar, dass eine Fotografie dann geschützt ist, wenn sie das Ergebnis einer geistigen Schöpfung des Urhebers darstellt. Nur vereinzelte Länder wie Deutschland, Österreich, Italien, die nordischen Staaten sowie die Tschechien schützen Fotos ohne Werkcharakter. Der Rest der Welt kennt keinen speziellen Schutz für Fotografien ohne Werkcharakter. (Die Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst haben 176 Länder unterschrieben, 8 davon haben einen Lichtbildschutz eingeführt.)

Rechtssicherheit

Durch die Einführung des Lichtbildschutzes wird die Rechtssicherheit nicht erhöht, sondern die Unsicherheit verstärkt. So muss in Zukunft weiterhin geklärt werden, ob eine Fotografie ein Werk im Sinne des Urheberrechts darstellt und damit für 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers geschützt ist, oder ob es sich um ein Werk ohne individuellen Charakter (also eben nicht ein Werk) handelt und dieses nur 50 Jahre nach dessen Entstehung geschützt ist. Es wird weiterhin nicht klar sein, welche Verantwortung ein Plattformbetreiber oder ein Hoster trägt, wenn ein User eine Fotografie hochlädt und diese von jemandem anderen geteilt wird. Es wird Unklarheit darüber herrschen, ob ein Bild eine im Gesetz explizit vorgesehene erlaubte Nachahmung darstellt oder eine Kopie des ursprünglichen Bildes ist. Es wird mit grosser Wahrscheinlichkeit wie in Deutschland eine grosse Anzahl unberechtigter Abmahnungen geben, welche viel Aufwand und Kosten verursachen.

Alternative Lösung des Problems

Die kommerzielle Verwertung einer Fotografie durch unberechtigte Dritte ist nicht in Ordnung und für die Fälle, wo das vorkommt, soll eine Lösung gefunden werden. Diese Lösung sollte aber verhältnismässig sein und am richtigen Ort ansetzen. Das Urheberrecht ist nicht das richtige Gesetz dafür. Das zeigt sich unter anderem auch daran, dass das wesentliche Prinzip der Schöpfungshöhe bzw. des Werbecharakters aufgelöst werden muss, und dadurch hohe Kollateralschäden angerichtet werden. Der richtige Ort für die Lösung dieses Problems ist das Wettbewerbsrecht. Bei der kommerziellen Nutzung einer Fotografie durch Dritte ohne Entschädigung handelt es sich um einen Verstoss gegen Artikel 5c des Bundesgesetzes gegen Unlauteren Wettbewerb (UWG).

Art. 5 Verwertung fremder Leistung

Unlauter handelt insbesondere, wer:

c. das marktreife Arbeitsergebnis eines andern ohne angemessenen eigenen Aufwand durch technische Reproduktionsverfahren als solches übernimmt und verwertet.

Damit für die professionellen Fotografen hier Rechtssicherheit hergestellt werden kann, könnte man hier eine Präzisierung vornehmen und damit sicherstellen, dass professionell erstellte Fotografien als marktreifes Arbeitsergebnis gelten.