Viel Verschwiegenheit, wenig Antworten

Der Geheimdienst bleibt intransparent, wir bleiben standhaft

Die Digitale Gesellschaft ist seit Jahren damit beschäftigt, dem Schweizerischen Geheimdienst genau auf die Finger zu schauen in Sachen Überwachung und Datenerfassung. Auf unsere beim Nachrichtendienst des Bundes (NDB) eingereichten Datenauskunftsgesuche kommen bislang verspätete, unvollständige, ablehnende und dürftig begründete Antworten zurück. Das lassen wir nicht auf uns sitzen.

Im August 2024 schickten wir dem NDB zum wiederholten Male zwei Auskunftsgesuche: Eines davon bezog sich auf sämtliche Daten, die der NDB über den Verein sammelt und in seinen Systemen speichert, das zweite auf Daten, die der NDB bzw. der ausführende Dienst CEA (Dienst Cyber und elektromagnetische Aktionen, vormals Zentrum für elektronische Operationen (ZEO)) im Rahmen der Kabelaufklärung über den Verein sammelt.

Ersteres ist eine bereits länger andauernde Geschichte: Seit 2019 sind wir daran, beim Geheimdienst Auskunft zu verlangen über sämtliche Daten, die der NDB in seinen Informationssystemen über die Digitale Gesellschaft speichert.

Die Auskünfte, die der NDB bisher erteilt hat, sind von gewissen Mustern durchzogen: Die Antworten treffen nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von 30 Tagen bei uns ein, sondern mit teils erheblicher Verspätung von bis zu fast einem Jahr. Somit fehlt die Auskunft über ganze Zeiträume. Weiter schickt der NDB nie die effektiv gesammelten Daten, sondern lediglich Umschreibungen dieser Daten.

Zudem weigert sich der NDB, eine zusammenhängende Auskunft über die komplette Zeitperiode, in der Daten gesammelt wurden, zu geben und verweist stattdessen auf bereits früher erteilte Auskünfte. Ob er einen Teil der gesammelten Daten inzwischen gelöscht hat oder nicht, bleibt somit unklar. Wir haben also nach fünf Jahren entschlossenen Nachhakens noch immer keine Auskunft erhalten, die unsere Fragen beantwortet. 

Unser zweites Anliegen, nämlich Auskunft über Daten aus der Kabelaufklärung zu bekommen, hat einen noch schwereren Stand: Da der Dienst CEA im Auftrag des NDB die Daten aus der Kabelaufklärung sammelt, stellten wir bei diesem ein Auskunftsgesuch. Dieser antwortete jedoch, dass er dafür nicht zuständig sei und daher unser Gesuch an den NDB weiterleite. Der NDB erteilte allerdings ebenso wenig Auskunft über die gefragten Daten wie der zuvor angefragte Dienst CEA. Er wimmelte uns mit der Erklärung ab, dass er diese Daten ja gar nicht speichere (das tut eben der Dienst CEA) und deshalb nicht weiterhelfen könne. Kurz: Keiner will für die Auskunft zuständig sein und unsere gestellten Anträge werden hin und her geschoben, ohne beantwortet zu werden. 

Besonders pikant ist, dass die Daten aus der Kabelaufklärung, die vom Dienst CEA im grossen Stil gesammelt werden, nicht einfach gelöscht werden, wenn sie nicht den vom NDB vorgegebenen Suchaufträgen entsprechen. Die Daten werden vielmehr – gemäss eigener Angaben des Dienstes CEA – für die sogenannte «Retrosuche» aufbewahrt: Dies bedeutet, dass bei der Kabelaufklärung die Datenströme im Internet nicht allein in Echtzeit nach vordefinierten Stichwörtern durchsucht, sondern auch in einer Datenbank gespeichert werden. Diese Vorratsdatenspeicherung durch den Geheimdienst ermöglicht, die gleichen Datenströme nachträglich erneut zu durchsuchen.

Das Nachrichtendienstgesetz (NDG) statuiert für den Dienst CEA in Art. 42 Abs. 4 NDG allerdings ausdrücklich die Pflicht, die Daten aus der Kabelaufklärung so rasch wie möglich zu vernichten, sollten diese keinem Suchauftrag des NDB entsprechen. Ob und wie diese Vorschrift in der Praxis nun umgesetzt wird, bleibt durch die verweigerte Auskunft weiterhin völlig unklar und unterstreicht die Notwendigkeit einer Auskunft.

Zu dieser Problematik kommt hinzu, dass der Geheimdienst uns als Verein in Bezug auf gewisse Daten keine Auskunft mehr geben will, da wir als juristische Person dazu seit der Revision des Datenschutzgesetzes (DSG) im September 2023 nicht mehr berechtigt seien. Seine Argumentation stützt er also auf das revidierte DSG, das diesen Ausschluss rechtfertigen soll.

Folgt man der Argumentation des NDB, führt dies zur paradoxen Situation, in der die Daten von juristischen Personen – also von jeglichen NGOs, politischen Organisationen, Vereinen etc. – durch den Geheimdienst weiterhin gesammelt und bearbeitet werden können, den juristischen Personen aber gleichzeitig ein umfassendes Auskunftsrecht abgesprochen wird. Unschwer zu erkennen, dass diese Situation problematisch ist, und sich daraus ein klares Rechtsschutzdefizit ergibt.

Das Recht auf Datenauskunft ist auch für juristische Personen rechtlich gut abgesichert und ergibt sich sowohl aus nationalen Bestimmungen (etwa dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, Art. 13 Abs. 2 BV) als auch aus internationalen Garantien (insbesondere aus Art. 8 EMRK, dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens).

Die Einschränkung des Auskunftsrechts, die der NDB aus dem neuen DSG ableiten will, widerspricht diesen breit anerkannten Ansprüchen und ist rechtlich nicht haltbar. Solange die Daten juristischer Personen für den NDB offensichtlich von Interesse sind, hat er auch umfassend Auskünfte über entsprechende Daten zu erteilen.

Durch die bisherige Praxis intransparenter Auskünfte werden grundlegende rechtliche Ansprüche nicht geachtet. Die Wahrung dieser Ansprüche müsste aber letzten Endes auch Aufgabe des NDB sein, denn Zugang zu Informationen über Daten zu erhalten, die über einen gesammelt werden, ist ein essenzielles und unverzichtbares Recht in einer demokratischen Gesellschaft. 

Ob absichtliches Ignorieren oder pure Inkompetenz – die aktuelle Praxis des NDB ist nicht hinnehmbar. Transparenz ist kein Luxus, sondern Pflicht. Wir beharren auf unseren Rechten und haben daher im Namen der Digitalen Gesellschaft erneut ein Auskunftsgesuch gestellt, das sich auf alle offenen Anliegen bezieht. Es ist an der Zeit, dass wir endlich klare und vollständige Antworten erhalten.

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