
Geheimdienste und die Grundrechte der Bevölkerung stehen seit jeher in einem Spannungsfeld. Angesichts der bevorstehenden Revision des Nachrichtendienstgesetzes (NDG) ist es entscheidend, die Rechte der Bürger:innen zu schützen und staatliche Überwachung zu limitieren.
Ein kürzlich veröffentlichter Prüfbericht der Unabhängigen Aufsichtsbehörde über die nachrichtendienstlichen Tätigkeiten (AB-ND) stellt fest, dass insbesondere das Ressort Cyber des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) während des überprüften Zeitraumes die Massnahmen nicht umgesetzt hat, welche die Rechtmässigkeit seiner Datenanalysen sichergestellt hätten. Demzufolge hält der NDB sich nicht an die vorangehenden Empfehlungen und an seine eigenen Vorgaben.
Dieser Prüfbericht lenkt die Aufmerksamkeit auf die anstehende Revision des Nachrichtendienstgesetzes (NDG). Der Gesetzesentwurf dazu wird voraussichtlich gegen Ende 2025 vom Bundesrat an das Parlament überwiesen, und damit soll der NDB neue Überwachungsbefugnisse erhalten. Verschiedenen Organisationen – darunter Public Eye, grundrechte.ch, Digitale Gesellschaft, Demokratische Jurist*innen Schweiz und Amnesty International – haben sich unter dem Dach der NGO-Plattform Menschenrechte Schweiz zusammengeschlossen und fordern in einem Positionspapier eine Korrektur der geplanten grund- und menschenrechtswidrigen Einschränkungen.
Darin fordern wir konkret:
- Keine Überwachung der Ausübung politischer Grundrechte
- Klare gesetzliche Grundlagen für die Verwendung biometrischer Daten & Verbot der Gesichtserkennung im öffentlichen Raum
- Schutz des Berufsgeheimnisses und des Quellenschutzes
- Keine Ausweitung der genehmigungspflichtigen Überwachung und keine Schwächung der Kontrollen
- Abschaffung der anlass- und verdachtsunabhängigen Überwachung (Kabelaufklärung, Vorratsdatenspeicherung)
- Transparenz zu den Datenkategorien und den damit verbundenen Löschvorgaben für den Nachrichtendienst des Bundes
- Stärkung der Auskunftsrechte über die eigenen Personendaten
- Angesichts der bestehenden und mit der Revision verschärften Eingriffe in rechtsstaatliche Grundsätze ist es zentral, die parlamentarische Aufsicht über den Nachrichtendienst zu stärken.
Stellungnahmen zum Nachrichtendienstgesetz seit 2013
Die Digitale Gesellschaft hat sich immer wieder mit staatlicher Überwachung und den fortlaufenden Revisionen des Nachrichtendienstgesetzes befasst. Dabei wurden wiederholt die fehlenden Gesetzesgrundlagen beispielsweise beim Einsatz von Staatstrojanern und Mängel bei der Aufsicht aufgezeigt. Daher überrascht der jüngste Prüfbericht 22-18 (PDF, veröffentlicht am 12. Mai 2025) durch die Unabhängige Aufsichtsbehörde über die nachrichtendienstlichen Tätigkeiten (AB-ND) zur Datenbeschaffung durch Cyber NDB nicht. Er unterstreicht vielmehr die Notwendigkeit, dass staatliche Überwachungsmassnahmen und die Anwendung neuer technischer Methoden unter klare Regeln und eine effektive politische Aufsicht gestellt werden müssen.
Für die anstehende Änderung des Nachrichtendienstgesetzes wurde bereits 2022 eine öffentlichen Vernehmlassung durchgeführt. Als voraussichtliche Inhalte gelten ein neues Datenhaltungskonzept, die Übertragung der Aufgaben der UKI an die AB-ND und Anpassungen im Bereich der genehmigungspflichtigen Beschaffungsmassnahmen. Nachvollziehbare Gründe für wiederholte Verschiebungen der Botschaft sind die personellen und organisatorischen Veränderungen beim VBS und NDB.
Kernforderungen aus digitalpolitischer Sicht
Neben den Forderungen aus dem gemeinsamen Positionspapier stehen aus digitalpolitischer Sicht weitere Forderungen im Zentrum:
- Erstens die Schaffung klarer Grundlagen für die Verwendung biometrischer Daten, um Missbrauch und Diskriminierung zu verhindern und die Privatsphäre der Bevölkerung zu schützen.
- Zweitens ein Verbot von Gesichtserkennung auf öffentlichem Grund, da diese Technologie zu einer massiven Überwachung führt und die individuelle Freiheit sowie das Recht auf Anonymität gefährdet.
- Drittens die Abschaffung der anlass- und verdachtsunabhängigen Massenüberwachung, einschliesslich der bereits heute angewandten Kabelaufklärung und der Vorratsdatenspeicherung, da diese Praktiken auch im bereits bestehenden Rechtsrahmen die Ausübung elementarer Grundrechte behindert, und damit auch das Vertrauen der Bürger in den Datenschutz und die Rechtsstaatlichkeit untergraben.
Ohne den genauen Gesetzestext zu kennen, können die Argumente gegen die Überarbeitung des Nachrichtendienstgesetzes auf der Befürchtung beruhen, dass eine Ausweitung der Überwachungsbefugnisse zu einem unverhältnismässigen Eingriff in die Privatsphäre führt und die Grundrechte der Bevölkerung gefährdet, ohne dass ein nachweisbarer Nutzen für die öffentliche Sicherheit besteht. In diesem Zusammenhang ist es zur Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze ebenfalls entscheidend, die parlamentarische Aufsicht über den Nachrichtendienst zu stärken.
Kritisch zu sehen ist auch die nachträgliche Schaffung von Rechtsgrundlagen für bereits angewendete Überwachungsmassnahmen, wie etwa die Nutzung biometrischer Daten. Das würde bedeuten, dass staatliche Stellen ihre rechtswidrigen Praktiken im Nachhinein legalisieren könnten. Das wiederum könnte den Eindruck erwecken, dass staatliche Institutionen über dem Gesetz stehen und willkürlich handeln können, ohne für ihre Handlungen zur Rechenschaft gezogen zu werden.
Fazit
Die bevorstehende Revision des Nachrichtendienstgesetzes erfordert ein Engagement und dringende Massnahmen, um die Aushöhlung des rechtlichen Schutzes zu verhindern, wie der Ausübung politischer Grundrechte, oder des Berufsgeheimnisses und des Quellenschutzes.
Klare gesetzliche Grundlagen im Einklang mit übergeordnetem Recht und eine stärkere parlamentarische Aufsicht sind entscheidend, um staatliche Überwachung in einem geregelten Rahmen zu halten und damit die Grund- und Menschenrechte der Bevölkerung zu wahren.
Die Digitale Gesellschaft wird sich im Verbund mit anderen Organisationen in diese Revision (und in eine angekündigte zweite Vernehmlassung zu den Verfehlungen im Ressort Cyber) einbringen, um den Missbrauch von Überwachungsmassnahmen zu verhindern und die Privatsphäre zu schützen.