Der Geheimdienst kann mit der Funk- und Kabelaufklärung alle Menschen in der Schweiz ohne Anlass und Verdacht überwachen. Das Bundesverwaltungsgericht hat nun in einem wegweisenden Urteil festgehalten, dass das Regime der Kabelaufklärung nicht konform mit der Bundesverfassung und der Europäischen Menschenrechtskonvention ist. Dies ist ein wichtiger Erfolg für Freiheit und Privatsphäre im Netz.
Die Kabelaufklärung ist ein wesentlicher Teil der anlasslosen und verdachtsunabhängigen Massenüberwachung durch den Nachrichtendienst des Bundes (NDB). Mit der Kabelaufklärung kann die Kommunikation zwischen der Schweiz und dem Rest der Welt umfassend erfasst und überwacht werden. Die Massnahme wurde 2017 mit dem neuen Nachrichtendienstgesetz (NDG) in der Schweiz legalisiert.
Das Bundesverwaltungsgericht hält in seinem wegweisenden Urteil A-6444/2020 vom 19. November 2025 fest, dass die Funk- und Kabelaufklärung die Grundrechte verletzt und schwerwiegende Mängel aufweist. Für die Digitale Gesellschaft ist klar, dass es nicht möglich sein wird, diese Mängel rechtlich und technisch zu beheben. Wir fordern deshalb, die Funk- und Kabelaufklärung sofort einzustellen. Nur so kann die festgestellte Verletzung der Grundrechte effektiv und sofort behoben werden.
Die Digitale Gesellschaft freut sich, dass das Bundesverwaltungsgericht zum Ergebnis kommt, dass die Funk- und Kabelaufklärung die Grundrechte verletzt. Der Nachrichtendienst darf die Schweizer Bevölkerung nicht anlasslos und massenhaft überwachen. Die Kabelaufklärung muss deshalb als Ganzes unterlassen werden, denn es steht aus unserer Sicht fest, dass sich die festgestellten schweren Mängel nicht beheben lassen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat folgende Mängel festgestellt:
- Es besteht kein ausreichender Schutz vor Missbrauch.
- Es ist nicht gewährleistet, dass der Geheimdienst nur erhebliche und richtige Daten bearbeitet.
- Es gibt keine Vorkehrungen zum Schutz von journalistischen Quellen und anderer besonders schützenswerter Kommunikation wie jener zwischen Rechtsanwält:innen und Mandant:innen.
- Eine hinreichend effektive Aufsicht über die Informationsbeschaffung ist nicht gewährleistet.
- Den Betroffenen steht kein hinreichend wirksames Rechtsmittel für eine nachträgliche Überprüfung zur Verfügung.
Es wird insbesondere nicht möglich sein, diese anlasslose Massenüberwachung nur auf erhebliche und richtige Daten zu beschränken, dabei den journalistischen Quellenschutz und das Anwaltsgeheimnis zu wahren sowie den Betroffenen ein wirksames Rechtsmittel an die Hand zu geben, wenn ihre Daten von der Funk- und Kabelaufklärung erfasst worden sind.
Die Wahrung der Grundrechte erfordert deshalb, die Funk- und Kabelaufklärung sofort einzustellen.
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Das Verfahren ist Teil der strategischen Klagen der Digitalen Gesellschaft im Kampf um die Freiheitsrechte in einer digitalen Welt. Am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg ist bereits eine Beschwerde der Digitalen Gesellschaft gegen die Massenüberwachung mittels Vorratsdatenspeicherung gemäss Strafprozessordnung hängig. Auch auf diese umstrittenen Daten, die eigentlich für Strafverfahren gedacht wären, kann der Geheimdienst zugreifen.
Beschwerdeführer:innen der Digitale Gesellschaft sind Serena Tinari (Recherche-Journalistin), Noëmi Landolt (Journalistin und Buchautorin «Mission Mittelmeer»), Marcel Bosonnet (Rechtsanwalt von Edward Snowden), Andre Meister (netzpolitik.org) sowie Norbert Bollow und Erik Schönenberger (jeweils Digitale Gesellschaft).
Weiterführende Informationen:
- Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im Volltext
- Dossier zur Kabelaufklärung
