Digitale Gesellschaft fordert im neuen Geldspielgesetz und generell auf Netzsperren zu verzichten

Internet-Zensur? Find ich super!Aktuell plant der Bundesrat ein neues Bundesgesetz über Geldspiele (BGS). Eine entsprechende Vernehmlassung läuft noch bis zum 20. August. Als netzpolitische Organisation beschränkt die Digitale Gesellschaft ihre nachfolgende Vernehmlassungsantwort auf Artikel 88 des Gesetzesentwurfes, weist insbesondere auf die negativen Konsequenzen der angedachten Sperrung des Zugangs zu nicht bewilligten Spielangeboten im Internet hin – und fordert die Streichung des Kapitels aus dem Gesetz.

Art. 88 E-BGS: Sperrung des Zugangs zu nicht bewilligten Spielangeboten

  1. Der Zugang zu online durchgeführten Geldspielen ist zu sperren, wenn die Spielangebote in der Schweiz nicht bewilligt sind.
  2. Gesperrt wird ausschliesslich der Zugang zu Angeboten, deren Anbieter ihren Sitz im Ausland haben und die in der Schweiz zugänglich sind.
  3. Die ESBK und die interkantonale Vollzugsbehörde führen und aktualisieren jeweils eine Sperrliste betreffend die Angebote in ihrem Zuständigkeitsbereich.
  4. Die Fernmeldedienstanbieterinnen sperren den Zugang zu den Spielangeboten, die auf der Sperrliste aufgeführt sind.

Mit Artikel 88 würde zum ersten Mal ein schweizerisches Gesetz die Sperrung von unerwünschten Inhalten im Internet fordern. Die Anwendung von Sperrlisten impliziert, dass die Internet Access Provider auf Geheiss des Staates aktiv die Kommunikation ihrer Kundinnen und Kunden manipulieren müssen. Ein derartig tiefer Eingriff in das – durch Bundesverfassung und Europäische Menschenrechtskonvention geschützte – Fernmeldegeheimnis ist aus rechtsstaatlicher Sicht unverhältnismässig und daher entschieden abzulehnen. Der Schutz der schweizerischen Bevölkerung vor unregulierten Spielangeboten, sowie der Zweck, «irregeleitete» Spielerinnen und Spieler auf aus schweizerischer Sicht legale Angebote hinweisen zu wollen, dürfen nicht über das Ideal einer zensurfreien, funktionierenden Demokratie gestellt werden.

1. Die mutmasslich zum Einsatz kommenden DNS-Sperren sind entgegen der beschönigenden Formulierung im Begleitbericht keinesfalls wirksam und können selbst von Laien auf verschiedenste Arten und innert weniger Minuten ohne Weiteres umgangen werden. Die bestehende und vom KOBIK zur Verfügung gestellte Sperrliste zum Erschweren des Zugriffs auf Sites mit kinderpornografischen Inhalten basiert auf einem freiwilligen Übereinkommen mit den Providern und stellt keine gesetzliche Verpflichtung dar.

2. DNS-Sperren sind technisch zu unspezifisch: Es wird nicht nur der Zugang auf Seiten mit den mutmasslich verbotenen Inhalten erschwert, sondern sämtliche Seiten der betreffenden Website, ja sogar desselben Webservers (mit derselben IP-Adresse und/oder Domain) sind davon betroffen. Es ist nicht unüblich, dass sich bei Hostingprovidern Hunderte, komplett unabhängige Websites eine IP-Adresse teilen oder unter einer Domain Dutzende, komplett unabhängige Websites abrufbar sind.

3. Die sinngemäss im Begleitbericht angestrengte Überlegung, URL-Fragmente als Filterkriterium einzubeziehen, zeigt eine erschreckende Sorglosigkeit bezüglich der damit implizierten Deep Packet Inspection-Technologie. Diese stellt zwar eine etwas höhere Hürde dar als DNS-Sperren, ist aber durch Verschlüsselung, wie sie im Internet mittlerweile standardmässig und insbesondere für E-Commerce verwendet wird, auf einfache Weise zu umgehen. Zudem erfordert sie auf der Seite der Internet Access Provider teure Investitionen in Netzwerktechnologie, die eine Analyse des Inhalts der übertragenen Daten ermöglicht. Solche Sperren manipulieren nicht mehr «nur» die Adressierungselemente (IP-Adressen), die zur Übertragung von Netzwerkpaketen im Internet benötigt werden, sondern den Paketinhalt. Das Ziel, schweizerischen Benutzerinnen und Benutzern den Zugriff auf unlizenzierte, ausländische Angebote zu verunmöglichen, lässt sich aber auch mit dieser Technologie gar nicht durchsetzen.

4. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber nicht auch noch darüber nachdenkt, Verschlüsselung und andere potenzielle Umgehungsmöglichkeiten zu verbieten. Damit könnte zwar der Zugang zu Spielbanken wirkungsvoll unterbunden werden, doch die Auswirkungen auf die Sicherheit des Internets, das Vertrauen in die Technologie und die Konsequenzen für eine offene und freie Gesellschaft wären gravierend. Gerade auch die Internet-Wirtschaft in der Schweiz würde erheblich darunter leiden, wie der Vertrauensverlust in amerikanische Anbieter aufgrund der NSA-Affäre eindrücklich zeigt.

Die Digitale Gesellschaft ist sich durchaus der Probleme bewusst, die sich durch Spielsucht für die betroffenen Personen, das nähere Umfeld und die Gesellschaft ergeben. Diese lassen sich aber nicht mit (untauglichen) Netzsperren beheben. Wie es auch der Gesetzgeber erkannt hat, müssen die Prävention gestärkt und vermehrt Anlaufstellen für Beratungen und Behandlungen angeboten werden. Zudem müssten internationale Richtlinien für Spielangebote erarbeitet und die Zusammenarbeit verstärkt werden. Dies sind sicherlich keine schnellen Lösungen, doch wären sie nachhaltig und würden dem Gemeinwohl dienen.

Fazit

Die erstmalige gesetzliche Verpflichtung zu Netzsperren für Fernmeldedienstanbieterinnen würde einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen, welcher voraussichtlich zur Ausweitung von Netzsperren auch auf weitere Bereiche – und technisch sowie inhaltlich immer tiefer eingreifend – führen würde.

Wir sehen in den geforderten Netzsperren einen untauglichen und gefährlichen Versuch, die Grenzen der schweizerischen Jurisdiktion zu erweitern, der in seinen Konsequenzen einer freien Gesellschaft, dem Rechtsstaat und der Internet-Wirtschaft in der Schweiz schadet.

Kapitel 7 (Art. 88 bis 94) im Gesetzesentwurf ist daher in dieser Form zu streichen.

(Foto: meineerde/flickr.com, CC BY-NC-SA)