Transparente Diskriminierung: Der Bundesrat will keine Netzneutralität – und den Fernmeldedienstanbieterinnen freie Hand lassen

Der Bundesrat hat vor einigen Tagen den Fernmeldebericht 2014 veröffentlicht. Darin wird zunächst der Zustand des schweizerischen Fernmeldemarkts betrachtet, dann der gesetzgeberische Handlungsbedarf beleuchtet und schlussendlich die anstehende Fernmelderevision umrissen.

Um das Resultat vorwegzunehmen: Die Revision des Fernmeldegesetzes wurde «in zwei Etappen» aufgeteilt. Da wo der Handlungsbedarf klar ausgewiesen und dringlich ist, sollen die Revisionsarbeiten umgehend an die Hand genommen – in anderen Bereichen hingegen noch zugewartet und beobachtet werden.

Bezüglich der Netzneutralität hält der Bundesrat eigentlich fest:

Da die Fernmeldedienstanbieterinnen häufig sowohl als Internetdienstleisterinnen als auch als Programmverbreiterinnen auftreten und entsprechend auch eigene Inhalte auf Abruf bereitstellen, könnte die Konkurrenzsituation dazu führen, dass sie die über das Internet zugeführten Inhalte der Veranstalter oder Dritter zugunsten eigener Angebote blockieren.

Swisscom DSL Infinity
KonsumentInnen dürfen sich auf neue Angebote freuen: Gemäss Bundesrat
sollen «ökonomisch sinnvolle Differenzierungsmöglichkeiten» zulässig sein.
(Vorlage: Swisscom, Collage: Digitale Gesellschaft)

Der Bundesrat sieht aktuell aber keinen dringenden Handlungsbedarf:

Denkbar wäre, dass eine neue Bestimmung in das Fernmeldegesetz aufgenommen würde, wonach die Kundinnen und Kunden generell ein Anrecht auf Nutzung der Dienste, Anwendungen, Inhalte und Endgeräte ihrer Wahl hätten (Abstrakte Netzfreiheiten). Damit würde sichergestellt, dass die Kundschaft weiterhin die Wahlfreiheit bei der für die Kommunikation verwendeten Mittel behielte und nicht in Blockadesituationen geraten könnte.

Als weitere Massnahme zur Sicherstellung der Wahlfreiheit der Kundschaft und der Aufrechterhaltung der dem Internet eigenen Innovationskraft wäre die Aufnahme eines Verbots der ungerechtfertigten Behinderung oder Schlechterstellung von Diensten Dritter und damit ein Nichtdiskriminierungsgebot möglich. Dies würde verhindern, dass einzelne Dienste blockiert oder in ihrer Qualität verschlechtert würden […].

Der Bundesrat ist der Ansicht, dass technisch notwendige oder ökonomisch sinnvolle Differenzierungsmöglichkeiten bei den angebotenen Fernmeldedienste grundsätzlich möglich sein sollen. Die technische Entwicklung und Innovationen sollen nicht ohne Anlass durch regulatorische Eingriffe gehindert werden.

Und kommt dann zum nicht mehr überraschenden Schluss:

Neu in das Fernmeldegesetz aufzunehmen ist eine Informationspflicht der Anbieterinnen von Fernmeldediensten bezüglich vorgenommener Differenzierungen bei der Übertragung von Daten.

Mehr nicht.

Damit lässt der Bundesrat den Internetzugangsanbieter die freie Hand und vergisst, dass die «technische Entwicklung und Innovation» eben gerade nicht von Swisscom, Sunrise & Cablecom ausgehen, sondern von den Inhalteanbieter auf der anderen Seite der Leitung.

Wo sich die Fernmeldedienstanbieterinnen hauptsächlich mit der Ausarbeitung möglichst undurchsichtiger Abonnemente hervortun, sind es Unternehmen, wie Youtube, Zattoo und WhatsApp, die mit innovativen Angeboten den Markt beleben. Dazu braucht es Regeln – aber nicht die von Swisscom.