Kampagne «Gesichtserkennung stoppen»

Mehrere Städte und Kantone wollen Gesichtserkennung verbieten

Automatische Gesichtserkennung im öffentlich zugänglichen Raum soll verboten werden. Das verlangen parlamentarische Vorstösse in mehreren Städten und Kantonen. Die Kampagne der Digitalen Gesellschaft, AlgorithmWatch CH und Amnesty International für ein Verbot der biometrischen Massenüberwachung zeigt damit konkrete Erfolge.

«Wir freuen uns, dass bereits in acht Städten und Kantonen ein Verbot der Gesichtserkennung beschlossen oder in Diskussion ist», erklärt Erik Schönenberger, Geschäftsleiter der Digitalen Gesellschaft. «Denn die biometrische Überwachung im öffentlich zugänglichen Raum ist mit unseren Grundrechten nicht zu vereinbaren. Die Bestrebungen in den Städten und Kantonen zeigen, dass unsere Forderung nach einem Verbot in der Schweizer Politik Unterstützung findet.»

In den Städten Zürich, St. Gallen und Lausanne sowie im Kanton Basel-Stadt haben die Parlamente Vorstösse für ein Verbot der Gesichtserkennung bereits angenommen. Ähnliche Vorstösse sind noch in Bearbeitung in den Städten Luzern und Genf sowie in den Kantonen Zürich und Basel-Landschaft. Dies zeigt eine aktuelle Übersicht des Bündnisses «Grundrechte schützen – Gesichtserkennung stoppen» der Organisationen Digitale Gesellschaft, AlgorithmWatch CH und Amnesty International.

Rote Linien gegen Massenüberwachung

Problematisch ist der Einsatz biometrischer Erkennungssysteme, wenn biometrischen Daten (wie z.B. Gesicht, Augen oder Stimme) einer Person mit einer Masse von Daten, die in einer Datenbank gespeichert sind, verglichen werden, um sie so zu identifizieren. Bereits das Vorhandensein solcher Infrastrukturim öffentlich zugänglichen Raum kann Menschen davon abhalten, sich frei zu bewegen und etwa an einer Demonstration teilzunehmen – und damit zentrale Grundrechte, wie Meinungs- und Versammlungsfreiheit unverhältnismässig beschneiden. Darüber hinaus können biometrische Erkennungssysteme bestehende Diskriminierungen verstärken sowie zu neuen Diskriminierungen führen. So hat sich gezeigt, dass sie beispielsweise Menschen dunkler Hautfarbe oder Frauen weniger gut erkennen. Obwohl biometrische Daten gemäss Datenschutzgesetz zu den «besonders schützenswerten Personendaten» gehören, gibt es noch immer kein schweizweites, explizites Verbot gegen die Verwendung von Gesichtserkennungssystemen.

«Da sich der Einsatz biometrischer Erkennungssysteme in Europa rasant ausbreitet und mehrere Schweizer Polizeikorps solche höchst umstrittenen Technologien bereits nutzen, braucht es neben den Vorstössen in den Gemeinden und Kantonen ein nationales Verbot», stellt Patrick Walder, Kampagnenleiter bei Amnesty International Schweiz fest.

Die Digitale Gesellschaft startete zusammen mit Organisationen AlgorithmWatch CH und Amnesty International im November 2021 eine gemeinsame Kampagne für ein Verbot der biometrischen Massenüberwachung. Eine entsprechende Petition an die grössten Schweizer Städte wurde von über 10’000 Menschen mitgetragen. Ebenfalls intervenierten die Organisationen im Frühling 2023 erfolgreich gegen die von den SBB geplante Überwachung an Bahnhöfen, die Menschen mutmasslich anhand ihrer biometrischen Daten nach Alter, Geschlecht oder Grösse kategorisiert hätte. Die SBB haben ihre Ausschreibung aufgrund des zivilgesellschaftlichen Drucks angepasst und die Option der biometrischen Kategorisierung gestrichen.

Verbot in der EU bereits unterwegs

Das Europäische Parlament hat sich im Juni 2023 dafür ausgesprochen, den Einsatz biometrischer Erkennungssysteme zu Identifizierungszwecken zu verbieten. Das Verbot im Rahmen der EU-Verordnung zur Künstlichen Intelligenz, des sogenannten «AI Act», muss noch von der EU-Kommission und dem EU-Rat bestätigt werden, was noch in dieser Legislatur erwartet wird.

«Der Entscheid des Europäischen Parlaments, diese Massenüberwachungstechnologie zu verbieten, ist ein wichtiger Schritt, der sich hoffentlich auf die Schweiz auswirken wird», kommentiert Estelle Pannatier, Policy & Advocacy Managerin bei AlgorithmWatch CH. «Der Konsens wächst, dass es keine menschenrechtskonforme Möglichkeit gibt, biometrische Erkennungssysteme im öffentlich zugänglichen Raum zu einzusetzen, um Menschen zu identifizieren. Keine technischen oder sonstigen Korrekturen können sie mit den Menschenrechten in Einklang bringen. Der einzige Schutz dagegen ist ein vollständiges Verbot. Die Schweiz ist gefordert.»

Weitere Informationen:

  • Dossier der Digitalen Gesellschaft