Verhaltensrichtlinien zur Netzneutralität

Schweizer Internetprovider wollen Netzneutralität weiterhin verletzen

Die Schweizer Internetprovider haben in dieser Woche ihre «Verhaltensrichtlinien zur Netzneutralität» erneuert. Dabei handelt es sich, wie schon bei der ersten Version der Richtlinien, um eine Mogelpackung: Sämtliche in der Schweiz heute vorkommenden Netzneutralitätsverletzungen können auch nach den neuen Richtlinien weiterhin stattfinden, und die Provider halten sich manche weitere Hintertür offen.

Telefonkabinen: Swisscom und Deutsche Telecom friedlich beieinander
Foto: Kire (cc by-sa)

Der Kerngedanke der Netzneutralität ist, dass alle Angebote im Internet gleich lange Spiesse haben, sodass der Wettbewerb zwischen den Angeboten spielt, und die Kunden, und nicht die Provider, über Erfolg oder Misserfolg der Angebote entscheiden.

Dies ist auch mit den neuen Richtlinien nicht gewährleistet.

Auch gemäss den neuen Richtlinien bleiben folgende Verletzungen der Netzneutralität weiterhin möglich:

«Zero Rating»

Die Provider können weiterhin bestimmte Internetangebote (wie TV, Musikstreaming oder Kurznachrichten) privilegieren und nicht auf das Inklusivvolumen ihrer Internetkunden anrechnen. Damit behindern sie die Konkurrenten dieser Dienste in der Aufnahme des Wettbewerbs. Alle drei grossen Mobilfunkanbieter in der Schweiz verletzen derzeit auf diese Weise die Netzneutralität.

«Verkehrsmanagementmassnahmen»

Unter Verkehrsmanagementmassnahmen versteht man die gezielte Verlangsamung von Datenströmen mit dem (vorgeblichen) Ziel, Überlastungen zu vermindern. Die Provider wollen gemäss den Richtlinien weiterhin Verkehrsmanagementmassnahmen anbieten, auch wenn diese technisch nicht zwingend sind; vor allem wird es auch nach den neuen Richtlinien weiterhin möglich sein, unter dem Deckmantel der Staubekämpfung gezielt missliebige Anwendungen zu diskriminieren.

«Managed Services» (auch «Spezialdienste» genannt)

Die Provider wollen weiterhin eine «Überholspur» im Internet anbieten, und zwar für beliebige Angebote, die sie nach ihrem eigenen Entscheid priorisiert anbieten möchten. Das normale Internet droht so zum Feldweg zu verkommen, und konkurrierende Angebote werden im Wettbewerb behindert.

Kein neutrales «Peering»

Mit den Richtlinien verpflichten sich die Provider weiterhin nicht, die Aussenverbindungen ihrer Netzwerke so auszugestalten, dass sämtliche im Internet verfügbaren Angebote für die Kunden problemlos erreichbar sind. Aktuelle Probleme von Swisscom-Kunden, den Dienst Netflix zu nutzen, sind darauf zurückzuführen, dass Swisscom die Verbindungen zu Netflix zu schwach ausgelegt hat. Dieses Problem soll nicht behoben werden.

Fazit: Die neuen Richtlinien sind eine Mogelpackung

Die Netzneutralität wird durch die neuen Richtlinien weiterhin nicht gewährleistet: Die Provider können weiterhin sehr einfach bestimmte Angebote im Netz privilegieren oder andere diskriminieren.

Netzneutralität liegt im Interesse der ganzen Schweizer Wirtschaft und vor allem auch der Konsumentinnen und Konsumenten, die von einem lebendigen Angebot profitieren. Junge Schweizer IT-Startups, aber auch etablierte Anbieter wie Netflix, werden bei Netzneutralitätsverletzungen in ihrer Entfaltung behindert. Zudem droht eine Behinderung aller Wirtschaftszweige, die mit dem Internet ihr Dienste anbieten. Dazu gehören etwa die Banken- oder Medienbranche, aber etwa auch die heute für grosse Teile der Wirtschaft immer wichtigeren Clouddienstleister.

Die neuen Richtlinien sind eine Mogelpackung. Eine Regelung der Netzneutralität in der Schweiz ist weiterhin nötig. Gelegenheit dazu ergibt sich anlässlich der gegenwärtig geplanten Revision des Fernmeldegesetzes. Das Parlament muss aktiv werden.