Massenüberwachung: Zugriffspunkte auf Datenkommunikation in der Schweiz

Government Communications Headquarters (GCHQ)
Government Communications Headquarters (GCHQ), Wikipedia, Open Government Licence

Tempora war eines der ersten Spionage-Prorgramme, das aus den Snowden-Dokumenten bekannt wurde. Dieses wird vom britischen Geheimdienst GCHQ betrieben und zapft die Kommunikation an, welche über Glaskabelverbindungen übertragen wird.

Im August 2013 hat die Süddeutsche Zeitung die Namen der Firmen und Programme bekannt gemacht, die mit den britischen Behörden kooperieren: Verizon Business (Programm «Dacron»), British Telecommunications («Remedy»), Vodafone Cable («Gerontic»), Global Crossing («Pinnage»), Level 3 («Little»), Viatel («Vitreous») und Interoute («Streetcar»). [1]

Einige dieser Firmen sind auch in der Schweiz tätig und bieten ihre Dienste lokaler Kundschaft an.

British Telecom etwa brüstet sich: «About 40 of Switzerland’s top 100 companies rely on solutions from BT Global Services. Customers include: Credit Suisse, Novartis, UBS, Nestlé, Syngenta, Bank Julius Bär, SixGroup, Swatch, Glencore, Tetrapak, Clariant, UN, Triumph, Kuoni – to name only a few.» [2]

Verizon Business ist gar eine strategische Partnerschaft mit Swisscom eingegangen: «International tätige Geschäftskunden von Swisscom erhalten nahtlosen Zugang zum umfassenden globalen Netzwerk und zu den Lösungen von Verizon Business.» [3]

In Deutschland will die Bundesregierung die Verträge mit Verizon nicht erneuern. Auch die Schweiz hat Geschäftsbeziehungen zum Telekommunikationsunternehmen: Der Bund verlässt sich für die Kommunikation mit Botschaften und Konsulaten im Ausland auf die Dienste von Verizon. Das Bundesamt für Informatik und Telekommunikation (BIT) wiegelt dennoch ab: «Die Endgeräte und die Verschlüsselung werden durch das BIT bereitgestellt.» [4]

Auch Level3 spricht Schweizer Kundschaft an [5] und führt mehrere redundante Glasfaserverbindungen [6] durch die Schweiz. Genauso sind auch Interroute [7] und Viatel [8] vertreten.

Die Weltwoche hat den oben erwähnten Artikel aus der Süddeutschen Zeitung aufgegriffen – und über die Lecks in der Schweiz berichtet [9]. Der Autor bringt dabei noch einen weiteren globalen Konzern zur Sprache: «Unter den US-Firmen mit Ableger in der Schweiz verfügt namentlich Equinix über eine herausragende Position. Equinix ist ein Gigant im globalen Datennetzwerk. […] Weltweit verfügt die Firma über 99 Standorte. In der Schweiz sind es sieben, zwei in Genf und fünf in Zürich. In einem Zürcher Equinix-Datencenter wird auch der Server für den Aktienhandel der Schweizer Börse Six Swiss Exchange betrieben, wodurch diese zur schnellsten Börse der Welt aufgestiegen ist.»

Zudem betreibt Equinix einen der drei grossen Internet-Knotenpunkte in der Schweiz. «Eine der weltweit grössten Firmen, die durch die US-Regierung einfach ansprechbar ist – da ist praktisch garantiert, dass sie dazu angehalten wird, abzuhören», sagt ein IT-Experte, der über langjährige Berufserfahrung in und mit amerikanischen IT-Firmen verfügt, im selben Weltwoche-Artikel.

Ein Jahr später – im Sommer 2014 – setzt sich die Erkenntnis auch beim Bund an entscheidenden Stellen durch: Als Reaktion auf den US-Geheimdienstskandal will das Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL) der Cablecom keine Aufträge mehr erteilen. Wie «Der Bund» schreibt [10], ist die Cablecom zwar rechtlich gesehen ein inländisches Unternehmen, eine GmbH mit Sitz in Zürich. Damit untersteht sie Schweizer Recht. Sie ist aber eine Tochter des britischen (früher US-amerikanischen) Konzerns Liberty Global und deshalb ausländisch beherrscht.

Betroffenheit

Personen, Unternehmungen und Behörden in der Schweiz sind mehrfach betroffen. Ob als Bankkunde (CS, UBS, SixGroup), Bezügerin von Internetzugang von Swisscom oder UPC Cablecom, Benutzer von überregionalen Datenverbindungen (zur Recherche, für das Online-Shopping, Kommunikation etc.) – die Zugriffsmöglichkeiten auf die Datenkommunikation in der Schweiz und aus der Schweiz sind kaum zu überblicken und geschehen über Firmen, die (auch) britischem oder US-amerikanischem Recht unterstehen. Entsprechende Spionagetätigkeiten müssten aber dennoch verfolgt und wirkungsvoll unterbunden werden (können). Es gehört eigentlich zu den Pflichten der Schweizer Behörden, in der Schweiz geltendes Recht durchzusetzen.

(Dieser Text ist das zweite Kapitel aus dem Bericht der Digitalen Gesellschaft zur Massenüberwachung durch die Geheimdienste.)