Die geheimdienstliche Aufsichtsbehörde hat ihn ihrem aktuellen Bericht gravierende Mängel hinsichtlich dem Auskunftsrecht der betroffenen Personen festgestellt. Dies ist brisant, da das Bundesverwaltungsgericht im letzten Jahr unsere Beschwerde gegen die Kabelaufklärung unter anderem mit der Begründung abgelehnt hatte, dass mit Hilfe des Auskunftsrechts eine «rechtmässige» Überwachung durchgesetzt werden könne. Diese Argumentation war schon vor dem Bericht unhaltbar. Nun haben wir mit einer Eingabe an das Bundesgericht nachgelegt.
Im Ende Januar veröffentlichten Jahresbericht 2019 (PDF) der Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) und der Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) der eidgenössischen Räte wird eine Neukonzeption des Auskunftsrechts im Nachrichtendienstgesetz gefordert: Über dieses Auskunftsunrecht haben wir bereits ausführlich berichtet.
Die Feststellung der Untauglichkeit des Auskunftsrechts ist aus zwei Gründen brisant: Der Nachrichtendienst und das Bundesverwaltungsgericht erachten die Kabelaufklärung als rechtmässig, da mit dem datenschutzrechtlichen Auskunftsrecht die Möglichkeit bestünde, die Verletzung von Grundrechten durch den Geheimdienst zu rügen und damit eine «rechtmässige» Überwachung gerichtlich durchzusetzen. Dies ist ein Hauptgrund, warum unsere Beschwerde abgewiesen worden war. Darüber hinaus ist der Geheimdienst gar nicht in der Lage, Auskunft über die Kabelaufklärung an sich (also der massenhafte Durchsuchung der Datenströme) zu gewähren.
Im letzten Sommer und Herbst haben am Bundesgericht zur Beschwerde gegen die Kabelaufklärung schriftliche Anhörungen stattgefunden, nachdem wir das Urteil weitergezogen hatten. In unserer letzten Stellungnahme vom 11. September 2019 haben wir bereits auf den kommenden GPDel-Bericht hingewiesen und verlangt, dass dieser berücksichtigt wird. Nun haben wir eine weitere Eingabe eingereicht, welche sich mit den Schlussfolgerungen aus dem GPDel-Bericht für das Verfahren befasst.
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Das Gesetz sieht vor, dass eine Datenauskunft aufgeschoben werden kann. Ja nach Art der Daten (respektive abhängig von der verwendeten Datenbank/Informationsablage) sind unterschiedliche Fristen und Verlängerungen vorgesehen. Dadurch ist unter Umständen nicht absehbar, wann eine Auskunft überhaupt stattfindet (Eingabe, Seite 6):
Die Möglichkeit des Aufschubs kann zusammen mit der Aufbewahrungsdauer der betreffenden Daten dazu führen, dass die Auskunft um 5 bis 45 Jahre aufgeschoben wird (vgl. Ziff. 4.9.4 des Jahresberichts der GPDel). Berücksichtigt man zudem die Praxis, die jeweilige Aufbewahrungsdauer von Vorn beginnen zu lassen, sobald neue Daten zu den vorhandenen Daten hinzukommen, ist ein Ende des Aufschubs der Auskunft unter Umständen nicht absehbar. Hinzu kommt, dass – wie die GPDel darlegt – der Aufschub mitunter nicht nur spezifische sensible Informationen, sondern auch andere bzw. allenfalls alle Daten mit Bezug auf die gesuchstellende Person betreffen kann (vgl. Ziff. 4.9.4 des Jahresberichts der GPDel). Wenn die Möglichkeit des Aufschubs der Auskunft zu einer Zeitdauer von mehreren Jahren führen kann, während derer auf das mit dem Auskunftsgesuch verbundene Anliegen materielle nicht eingegangen wird, so kann man jedenfalls nicht von einer wirksamen Beschwerde sprechen.
Dieses Problem der Nichtauskunft potenziert sich durch die sogenannte Freitextsuche. Dabei handelt es sich um den Zugriff auf Daten, die nicht (bereits) einer Person oder Organisation zugeordnet sind; es also noch kein Dossier dazu gibt. Die Sammlung solcher Daten wurde eben nicht nur millionenfach nachgewiesen – der Geheimdienst verweigerte zudem die Information der betroffenen Personen (Seite 8):
Das Problem ist noch deutlich grösser, wenn es um das Auffinden und Zuordnen von Daten geht, welche aus der Funk-und Kabelaufklärung stammen. In diesem Zusammenhang können Daten gesammelt und bearbeitet werden, welche sich auf eine konkrete Person oder Organisation beziehen und welche somit personenbezogene Daten sind, bei denen aber dem Beschwerdegegner [NDG] (noch) nicht klar ist, welcher Person oder Organisation diese effektiv zuzuordnen sind (die Botschaft spricht in diesem Zusammenhang von einer von der Aufklärungsmassnahme betroffenen Person [Botschaft zum NDG [BBl 2014 2105], 2178], was impliziert, dass es sich um personenbezogene Daten handelt). In vielen Fällen wird der Beschwerdegegner hier nicht über wirklichen Namen verfügen, sondern nur über einen Kurz- oder Übernamen, einen Benutzernamen oder ein Benutzerkonto, eine IP-Adresse oder dergleichen, und deshalb die betroffene Person bzw. Organisation fürs Erste nicht identifizieren können, ungeachtet des Umstands, dass sie diese erfasst und gespeichert hat und weiter bearbeitet. Damit ist bei Daten, welche aus der Funk- und Kabelaufklärung gewonnen worden sind, noch mehr damit zu rechnen, dass vorhandene Daten nicht im Ergebnis auftauchen, wenn aufgrund eines Datenauskunftsgesuch der betroffenen Person oder Organisation eine Freitextsuche durchgeführt wird.
Soweit wie im Beschwerdeverfahren dargelegt Daten erfasst und bearbeitet werden, ohne dass diese in den im NDG aufgeführten Informationssystemen abgelegt werden, es sich aber dennoch um personenbezogene Daten handelt, weil sie an sich einer bestimmten Person oder Organisation zuordenbar sind, vermag eine Freitextsuche in diesen Systemen ohnehin nicht zu einem Treffer zu führen. Nichtsdestotrotz liegt wie im Beschwerdeverfahren dargelegt eine Erfassung und Bearbeitung von personenbezogenen Daten vor. Aus der Perspektive der betroffenen Personen liegt eine Überwachung und Erfassung des sie betreffenden Datenverkehrs vor, wenn Datenströme von der Funk- und Kabelaufklärung erfasst sind, welcher sie betreffende Daten enthält, und damit ein Eingriff in ihre Grundrechte.
Die Eingabe wurde am Mittwoch versandt. Das Urteil wird sich dadurch leider verzögern. Der bis anhin stattgefundene Schriftenwechsel am Bundesgericht sei hier dokumentiert: